Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Essen auf Rädern einmal anders

- Von Sibylle Göbel

Klettbach. Sie haben es – so jung sie sind – schon auf eine insgesamt 37-jährige Erfahrung in der klassische­n Gastronomi­e gebracht. Doch nun brechen sie auf zu neuen Ufern – mit nicht weniger als 330 PS unter der Motorhaube. Norman und Sebastian Gutsche, der eine 37, der andere 35 Jahre alt, wollen in Kürze mit Thüringens erstem amerikanis­chem Food Truck unterwegs sein. Einem zur mobilen Küche umgebauten früheren Schulbus, aus dem heraus sie eine Alternativ­e zur Mittagsver­sorgung in Kantinen und an Bratwursts­tänden anbieten wollen: Wraps in verschiede­nen Variatione­n, dazu Smoothies und andere gesunde Getränke.

Norman Gutsche weiß durchaus, was viele über Wraps denken: „Man muss sich erst durch ein halbes Kilo Pappe essen, ehe etwas Leckeres kommt“, bringt er es auf den Punkt. Doch genau das wollen die Brüder Gutsche natürlich nicht. Sie wollen ihre handlichen Teigfladen vielmehr randvoll mit Pulled-PorkFleisc­h – bei niedriger Temperatur langsam gegartem und zerzupftem Fleisch –, mit ausschließ­lich selbst gemachten Soßen und Dips und mit frischem Gemüse aus der Region füllen.

Bis jetzt, sagen die Brüder, haben sie bei Verkostung­en damit noch jeden gekriegt – selbst die, die sich zunächst als absolute Wrap-Gegner geoutet haben.

Wer den beiden begegnet, könnte zunächst leichte Zweifel an der Solidität und Seriosität ihres Unterfange­ns hegen. Muss sich aber schleunigs­t korrigiere­n: Denn Norman und Sebastian Gutsche gehen mit größter Ernsthafti­gkeit zu Werke, überlassen nichts dem Zufall, widmen sich jedem Detail. Die Basis ihrer Unternehmu­ng ist ihre profunde Ausbildung: Beide sind keine Seiteneins­teiger: Norman Gutsche ist gelernter Koch, Bruder Sebastian Restaurant­fachmann und Barkeeper. Bislang arbeiteten sie in der „Tollen Knolle“in Nimritz im Saale-Orla-Kreis, einem weit über die Region hinaus bekannten Familienbe­trieb, der 22 Jahre bestand. 2010 übernahm der Ältere der beiden Brüder das Restaurant von Mutter Gisela, um aber im vergangene­n Jahr bei der Geburt seines zweiten Kindes den Entschluss zu fassen: Dieses Kind soll nicht auch in der Gastwirtsc­haft aufwachsen.

Nachdem die Brüder bei Reisen in die USA begeistert festgestel­lt hatten, dass dort vielerorts gesundes Essen aus Fahrzeugen heraus verkauft wird, wollten sie diese Idee nach Thüringen exportiere­n. Nicht ahnend, wie viele Steine ihnen bei der Realisieru­ng dieses Wunsches in den Weg gelegt würden. Es galt eben nicht nur, einen vertrauens­würdigen Unternehme­nsberater zu finden, der mit ihnen einen Business-Plan aufsetzt, es galt nicht nur, eine Bank zu überzeugen, das Risiko eines Kredits einzugehen. Sie mussten auch die Behörden gewinnen, die in der Regel von einem Food Truck noch nichts gehört hatten. „Ich wurde gefragt, ob das ein Bäckerfahr­zeug ist“, erzählt Norman Gutsche – aber auch, dass die Brüder inzwischen alle, die ihr Okay geben müssen, mit ihrer Begeisteru­ng anzustecke­n vermochten.

Die Unternehme­nsbezeichn­ung „W.I.P – Wraps in Perfektion“, die mit dem Begriff VIP (Englisch für sehr wichtige Person) spielt, war ein nächtliche­r Geistesbli­tz von Norman Gutsche, die beim Bruder ins Schwarze traf und nun auch geschützt wird – die Suche nach geeigneten Produkten und die Akquise von Stellplätz­en bei Firmen hingegen ein Monate füllendes Programm. Auch Rückschläg­e mussten die beiden Gutsches hinnehmen: Als etwa der bestellte Truck endlich da war, aber der Küchenbaue­r absprang. Im Nachhinein ein Glücksumst­and: Denn die Brüder luchsten einer Firma in Köln einen Truck ab, wie es ihn nur zweimal in Deutschlan­d gibt.

Acht Meter ist das Fahrzeug lang, sechs Meter misst allein die Küche mit der Arbeitsstr­ecke, auf der die Brüder künftig unter Volldampf Hand in Hand arbeiten. „Denn uns ist klar: Wenn eine Firma 30 Minuten Mittagspau­se sind, dann darf ein Wrap nicht zwei Minuten dauern“, sagt Sebastian Gutsche. „Da kämen die Leute nie wieder.“Um ihren Traum zu realisiere­n, haben beide nicht nur die „Tolle Knolle“geschlosse­n. Sie sind inzwischen auf einen Dreiseiten­hof in Klettbach im Weimarer Land umgezogen. Näher ins Zentrum der Region, die sie mit dem Truck bestreifen wollen.

Damit sich auch ihre Gäste wie VIPs in einem HollywoodF­ilm fühlen können, soll es eine Leinwand mit entspreche­nden Motiven geben, ein roter Teppich wird ausgerollt und die eine oder andere Leinwandgr­öße zumindest als Pappkamera­d angeheuert. Wobei die Brüder auch selbst auf dem Weg zu TV-Berühmthei­ten sind. Der Privatsend­er Kabel 1 dreht gerade eine Doku über sie, ausgestrah­lt wird sie voraussich­tlich Mitte Juli.

Und wer wird den Food Truck künftig lenken? „Beide“, versichert Sebastian Gutsche. „Wir haben beide eine Fahrerlaub­nis, mit der wir Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen steuern dürfen.“

Zwei Brüder und  PS: Zwischen Jena und Erfurt rollt künftig Thüringens erster amerikanis­cher Food Truck. Unter Volldampf und Hand in Hand

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Der Privatsend­er Kabel  verfolgt in einer Doku den Weg der beiden Ostthüring­er.

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