Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Martins Rezept gegen die Hitze: Kühlweste und Eiswürfel

- Von Axel Lukacsek

Radsport: Dem Zeitfahr-Meister Tony Martin glückt in Streufdorf bei glühender Hitze mit einem Sieg der Tour-Formtest. Trixi Worrack meldet sich mit Titel zurück.

Streufdorf. Die Konkurrenz sah gegen Tony Martin keinen Stich, dabei musste am Abend zuvor noch Hilfe her – mit Nadel und Faden. Beim Abschlusst­raining war am neuen Zeitfahran­zug die Naht geplatzt. Der 76 Jahre alte Schneiderm­eister Hubert Kempf stand in Streufdorf als Helfer zufällig an der Strecke und behob das Malheur in Windeseile. Ähnlich schnell saß der Ex-Weltmeiste­r tags darauf im Sattel und eroberte seinen sechsten deutschen Meistertit­el im Zeitfahren.

„Das war ein schöner Formtest vor dem ersten Zeitfahren der Tour, bei dem ich mir Siegchance­n ausrechne. Ich glaube, der Test ist heute gelungen“, sagte Martin erschöpft – von den Strapazen auf der 41 Kilometer langen Strecke und der brütenden Hitze von 35 Grad, die über dem Asphalt schwebte.

Mit einer Kühlweste, gefrorenen Handtücher­n, in Socken gefüllten Eiswürfel und Ventilator­en hatte Martin beim Warmfahren verhindert, dass er schon zum Start überhitzt ins Rennen gehen musste. „Das ist unheimlich wichtig gewesen, auch weil ich eigentlich solch eine Hitze nicht mag“, sagte Martin.

Der Formtest mit Blick auf die in einer Woche beginnende Tour de France war vor allem deshalb gelungen, weil der Abstand zum Vizemeiste­r Jasha Sütterlin mit 1:39,60 Minuten ziemlich großzügig ausfiel. Der auf Rang drei notierte Nils Pollit aus Köln war mit 51:37,76 Minuten genau 0,45 Sekunden langsamer als der neue U 23-Gewinner Maximilian Schachmann.

Maximilian Schachmann gewinnt U 23-Rennen

Von der Schrecksek­unde am Vorabend ließ sich Tony Martin nicht beeindruck­en. Mit einer durchschni­ttlichen Geschwindi­gkeit von exakt 49,97 Kilometern pro Stunde jagte der ExWeltmeis­ter über die Straßen von Südthüring­en. Für ihn war es nicht nur der erste Saisonsieg, sondern auch das erste lange Zeitfahren, das er in veränderte­r Sitzpositi­on im Sattel bestritt. „Wenn man acht Jahre in einer bestimmten Position fährt, braucht es einfach etwas Zeit, wenn man solche Dinge ändert. Aber auch unter diesem Gesichtspu­nkt war ich absolut zufrieden“, sagte Martin.

Jasha Sütterlin indes durfte sich als Vizemeiste­r freuen. Dass der Freiburger von 2011 bis 2013 im Thüringer Energie Team fuhr, hatte ihm diesmal bei der Rückkehr in die einstige Wahl-Heimat geholfen. „Ich kannte hier jede Kurve, das war von Vorteil“, sagte Sütterlin.

Zu den glückliche­n Protagonis­ten zählte die Wahl-Erfurterin Trixi Worrack, in deren Begleitfah­rzeug der einstige Sprinter Erik Zabel saß. „Er hat mich über die Strecke gelotst“, sagte Worrack: „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Total krass. Das ist schon ein spezieller Titel“, stammelte die neue Zeitfahrme­isterin, der nach einem schweren Sturz im März die linke Niere entfernt werden musste. Die 34-Jährige eroberte nach 26,2 Kilometern sensatione­ll vor Stephanie Pohl (Cottbus/21,54 Sekunden zurück) und der durch Krankheit geschwächt­en WM-Dritten Lisa Brennauer (+49,60) den Titel.

Für das Thüringer Team Maxx-Solar-Cycling blieb wie im Vorjahr der vierte Platz. Corinna Lechner verfehlte um 29 Sekunden das Podest. Hanka Kupfernage­l, vor einem Jahr als Vierte an Bronze vorbeigesc­hrammt, sagte wegen ihres Sturzes vor drei Wochen beim Bundesliga­rennen in Karbach ihren Start bei den deutschen Meistersch­aften ab.

Schon am Morgen hatte es im wahrsten Sinne des Wortes ein heißes Rennen im Glutofen von Streufdorf gegeben, als Maximilian Schachmann zum U23Wettbew­erb auf die Strecke gegangen war. „Die enorme Hitze war für mich kein Problem, weil ich nämlich die Wärme liebe“, sagte der 22 Jahre alte Wahl-Erfurter, der schon auf der Hälfte der Strecke einen deutlichen Vorsprung im Feld der U 23-Fahrer herausgefa­hren hatte.

Wie Martin legte Schachmann beim Warmfahren eine Kühlweste an. „Das hat geholfen, weil auf den ersten acht Kilometern man die Wärme nicht so spürt“, sagte der Vize-Weltmeiste­r des Vorjahres.

Als später Tony Martin vom Rennen gezeichnet die Goldmedail­le überreicht bekam, stand plötzlich auch Schneiderm­eister Hubert Kempf neben ihm. „Dass ich ihm helfen durfte, war eine Ehre für mich“, sagte der rüstige Rentner: „Jetzt wünsche ich mir nur noch, dass Tony in Paris als Sieger der Tour de France ankommt.“

Der Triumphato­r lächelte. Ihm würde es reichen, wenn er beim Zeitfahren einen weiteren Etappensie­g beim berühmtest­en Radrennen der Welt erobert.

Kupfernage­l verzichtet auf DM-Teilnahme

 ??  ?? Ideale Linie: Tony Martin eroberte in Streufdorf seinen sechsten deutschen Zeitfahr-Titel. Es war in dieser Disziplin sein fünfter Sieg in Folge. Foto: Sascha Fromm ()
Ideale Linie: Tony Martin eroberte in Streufdorf seinen sechsten deutschen Zeitfahr-Titel. Es war in dieser Disziplin sein fünfter Sieg in Folge. Foto: Sascha Fromm ()

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