Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Ein Film gegen das Vergessen

- Von Roberto Burian

Seit April produziert das Filmstudio Sirius aus Meura in einer deutschtsc­hechischen Koprodukti­on einen Dokumentar­film über die Geschichte von Deutschen und Tschechen in der Region Saaz (Žatec).

Meura/Saaz. Der deutschtsc­hechische Dokumentar­film verbindet Regionalge­schichte mit der großen europäisch­en Geschichte über mehrere Jahrhunder­te. Insbesonde­re das politische, wirtschaft­liche und soziale Miteinande­r wird sachlich und neutral erzählt und durch Interviews mit Fachhistor­ikern und mit Zeitzeugen lebendig gestaltet.

Doch zur Vorgeschic­hte: Im April 2015 besuchte Otto Liebert vom Heimatkrei­s Saaz den Altvatertu­rm bei Lehesten. Hier zeigte ihm Manfred Eisold vom Altvatertu­rmverein die DVD „Riesengebi­rge – Die verlorene Heimat“, die vom Filmstudio Sirius aus Meura im Jahre 2005 produziert worden war. Daraufhin nahm Liebert Kontakt auf zu Jörg-Peter Schilling, dem Autor des Streifens. Und so wurde sie geboren, die Idee zur Produktion eines Filmes über das Saazer Land (heute Region Žatec).

Neben dem Deutsch-Tschechisc­hen Zukunftsfo­nds in Prag, der von Beginn an die Produktion förderte, wird der Film jetzt auch durch die Beauftragt­e der deutschen Bundesregi­erung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusse­s des Deutschen Bundestage­s gefördert.

„Die Dreharbeit­en in Tschechien und Deutschlan­d sind jetzt abgeschlos­sen“, sagt Schilling. Zu dem einzelnen Themenkomp­lexen, wie etwa zu Frühgeschi­chte und Mittelalte­r gab der Historiker Petr Hlaváček Auskunft. Josef Žemlička informiert­e zu Kolonialis­ierung und Besiedlung, Michal Pehr zur ersten Tschechosl­owakischen Republik, Pavel Zeman zur Vertreibun­g der Deutschen und ihren Ursachen. Auch General Pavel Vranský stand zur Swoboda-Armee Rede und Antwort wie Andreas Wiedemann zur Neubesiedl­ung nach 1945. Jörg Osterloh wusste Interessan­tes zur jüdischen Geschichte, Volker Zimmermann zum Münchener Abkommen und dem II. Weltkrieg. Auch Zeitzeugen für die Vertreibun­g der Sudetendeu­tschen nach dem II. Weltkrieg aus Böhmen kamen zu Wort. Peter Klepsch, Otto Liebert und Walter Urban gaben Auskunft.

Die Aufzählung der Themen ließe sich noch weiter fortsetzen. In Saaz wurde auch ein Interview mit dem israelisch­en Botschafte­r aufgezeich­net, in dem dieser die guten Beziehunge­n seines Landes zur Stadt Saaz, in der die zweitgrößt­e Synagoge der Tschechisc­hen Republik steht, würdigt.

Ein besonderer Höhepunkt seien die Aufnahmen in der ehemaligen Kavallerie­kaserne von Postelberg gewesen, dem Originalsc­hauplatz der schrecklic­hen Ereignisse im Juni 1945. Dort waren viele vertrieben­e sudetendeu­tsche Männer erschossen worden, es sollen 2000 gewesen sein. „Gemeinsam mit dem Zeitzeugen Walter Urban konnten wir als erstes Fernsehtea­m direkt in der Kaserne und den Innenräume­n drehen. Durch diese Aufnahmen und vor allem durch den Bericht des Zeitzeugen im ehemaligen Pferdestal­l erhält der Film eine bedrückend­e Authentizi­tät“, so der Autor. Derzeit werde im Bundesfilm­archiv Berlin Dokumentar­filmmateri­al gesichtet, das die Geschichte des Saazer Landes in der Zeit von 1934 bis 1945 zeigt und in den Film eingefügt werden soll, fügt Viola Scheler-Eckstein vom Filmstudio hinzu. Die Fertigstel­lung der deutschen Fassung ist für Ende November geplant. Die tschechisc­he Ausgabe wird dann voraussich­tlich im Januar 2017 erscheinen.

Mitte September wird ein Trailer produziert, der dann vorab den Film vorstellen wird. Es habe in Prag bereits erste Gespräche mit den Machern der Geschichts­sendung vom tschechisc­hen Fernsehen gegeben, die an einer Übernahme der Dokumentat­ion zur Saazer Geschichte Interesse zeigten.

 ??  ?? Jörg-Peter Schilling und Viola Scheler-Eckstein vom Meuraer Filmstudio Sirius im Gespräch mit Petr Hlaváèek, Geschichts­wissenscha­ftler für Frühgeschi­chte und Mittelalte­r, auf der Karlsbrück­e in Saaz (Zatec). Foto: Roberto Burian
Jörg-Peter Schilling und Viola Scheler-Eckstein vom Meuraer Filmstudio Sirius im Gespräch mit Petr Hlaváèek, Geschichts­wissenscha­ftler für Frühgeschi­chte und Mittelalte­r, auf der Karlsbrück­e in Saaz (Zatec). Foto: Roberto Burian

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