Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
Ein Film gegen das Vergessen
Seit April produziert das Filmstudio Sirius aus Meura in einer deutschtschechischen Koproduktion einen Dokumentarfilm über die Geschichte von Deutschen und Tschechen in der Region Saaz (Žatec).
Meura/Saaz. Der deutschtschechische Dokumentarfilm verbindet Regionalgeschichte mit der großen europäischen Geschichte über mehrere Jahrhunderte. Insbesondere das politische, wirtschaftliche und soziale Miteinander wird sachlich und neutral erzählt und durch Interviews mit Fachhistorikern und mit Zeitzeugen lebendig gestaltet.
Doch zur Vorgeschichte: Im April 2015 besuchte Otto Liebert vom Heimatkreis Saaz den Altvaterturm bei Lehesten. Hier zeigte ihm Manfred Eisold vom Altvaterturmverein die DVD „Riesengebirge – Die verlorene Heimat“, die vom Filmstudio Sirius aus Meura im Jahre 2005 produziert worden war. Daraufhin nahm Liebert Kontakt auf zu Jörg-Peter Schilling, dem Autor des Streifens. Und so wurde sie geboren, die Idee zur Produktion eines Filmes über das Saazer Land (heute Region Žatec).
Neben dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds in Prag, der von Beginn an die Produktion förderte, wird der Film jetzt auch durch die Beauftragte der deutschen Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
„Die Dreharbeiten in Tschechien und Deutschland sind jetzt abgeschlossen“, sagt Schilling. Zu dem einzelnen Themenkomplexen, wie etwa zu Frühgeschichte und Mittelalter gab der Historiker Petr Hlaváček Auskunft. Josef Žemlička informierte zu Kolonialisierung und Besiedlung, Michal Pehr zur ersten Tschechoslowakischen Republik, Pavel Zeman zur Vertreibung der Deutschen und ihren Ursachen. Auch General Pavel Vranský stand zur Swoboda-Armee Rede und Antwort wie Andreas Wiedemann zur Neubesiedlung nach 1945. Jörg Osterloh wusste Interessantes zur jüdischen Geschichte, Volker Zimmermann zum Münchener Abkommen und dem II. Weltkrieg. Auch Zeitzeugen für die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem II. Weltkrieg aus Böhmen kamen zu Wort. Peter Klepsch, Otto Liebert und Walter Urban gaben Auskunft.
Die Aufzählung der Themen ließe sich noch weiter fortsetzen. In Saaz wurde auch ein Interview mit dem israelischen Botschafter aufgezeichnet, in dem dieser die guten Beziehungen seines Landes zur Stadt Saaz, in der die zweitgrößte Synagoge der Tschechischen Republik steht, würdigt.
Ein besonderer Höhepunkt seien die Aufnahmen in der ehemaligen Kavalleriekaserne von Postelberg gewesen, dem Originalschauplatz der schrecklichen Ereignisse im Juni 1945. Dort waren viele vertriebene sudetendeutsche Männer erschossen worden, es sollen 2000 gewesen sein. „Gemeinsam mit dem Zeitzeugen Walter Urban konnten wir als erstes Fernsehteam direkt in der Kaserne und den Innenräumen drehen. Durch diese Aufnahmen und vor allem durch den Bericht des Zeitzeugen im ehemaligen Pferdestall erhält der Film eine bedrückende Authentizität“, so der Autor. Derzeit werde im Bundesfilmarchiv Berlin Dokumentarfilmmaterial gesichtet, das die Geschichte des Saazer Landes in der Zeit von 1934 bis 1945 zeigt und in den Film eingefügt werden soll, fügt Viola Scheler-Eckstein vom Filmstudio hinzu. Die Fertigstellung der deutschen Fassung ist für Ende November geplant. Die tschechische Ausgabe wird dann voraussichtlich im Januar 2017 erscheinen.
Mitte September wird ein Trailer produziert, der dann vorab den Film vorstellen wird. Es habe in Prag bereits erste Gespräche mit den Machern der Geschichtssendung vom tschechischen Fernsehen gegeben, die an einer Übernahme der Dokumentation zur Saazer Geschichte Interesse zeigten.