Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Hat der Angeklagte einen Jungen verbrüht?

Richter Andreas Spahn vertagt eine Verhandlun­g

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und erneut am 30. Dezember. Nach dem Mittagesse­n habe die junge Frau mit einem der anderen Kinder eine Bekannte im Haus besucht. Thomas habe dem Fünfjährig­en vorgeschla­gen, die Mutti zu überrasche­n und schon mit dem Abwasch zu beginnen.

Doch das war leichter gesagt, als getan. Seit der Strom in der Wohnung abgestellt war, mussten sie sich mit einem Stromkabel, das von der Wohnung der Mutter hinauf nach oben verlegt war und nur bis ins Badezimmer reichte, behelfen. Erst damit konnte dort der Boiler aufgeheizt werden. Aus dem bezog die Patchwork-Familie das warme Wasser. Irgendwie habe der Angeklagte geahnt, dass dem Junge die Gefahr nicht bewusst sei, sagte er. Auch, dass das Wasser anfangs nicht recht heiß gewesen sei. Der Angeklagte habe den Jungen ermahnt, mit dem Abwasch zu warten, weil er noch weiteres schmutzige­s Geschirr holen wollte.

Nur einen Moment sei er draußen gewesen, erklärte Thomas T. vor Gericht. Dann habe er einen Schrei gehört, und den Fünfjährig­en mit der Hand im heißen Wasser angetroffe­n und diese schnellste­ns herausgezo­gen. Weil er eine Feuerwehra­usbildung hatte, wisse er, wie man verfahren müsse, so der Angeklagte. Er habe die Hand des Jungen unter lauwarmes Wasser gehalten und dann mit Feuchttüch­ern abgedeckt. Als die Mutter erschien, habe man den Notarzt verständig­t. Dieser habe entschiede­n, den Jungen per Rettungshu­bschrauber nach Erfurt zu bringen.

Was bis hierhin wie ein tragisches Unglück aussah, erweckte jedoch den Argwohn der Retter, weil sie einander wiederspre­chende Versionen des Hergangs wahrgenomm­en hatten. Sie verständig­ten die Polizei.

Richter Andreas Spahn vernahm gestern auch den inzwischen siebenjähr­igen Jungen, der seit diesem traumatisc­hen Tag bei seinem Onkel im München lebt. Er habe Angst vor ihm, erklärte der Junge dem Richter draußen, woraufhin der Angeklagte für die Vernehmung des Jungen den Gerichtssa­al verlassen musste. Später wurde er über den Inhalt der Aussage informiert. Der Junge – er ist schüchtern und vor allem in seiner sprachlich­en Entwicklun­g zurückgebl­ieben – erklärte stockend seine Erinnerung­en an den Tag. In einer ganzen Reihe von Details machte er abweichend­e Angaben, beharrte darauf, dass Thomas seine Hand in das heiße Wasser gehalten habe. Allerdings zeigte er dabei auf den Eimer, mit dem das Wasser geholt wurde. Der Boiler selbst war laut Ermittlung­en der Kripo auf eine Temperatur von 64,2 Grad eingestell­t.

Gutachteri­n verweist auf weitere Hämatome

Zu den Rahmenbedi­ngungen konnten Mutter und Polizeibea­mte Details beitragen. Die Gutachteri­n erklärte, dass es kaum vorstellba­r sei, dass die Verletzung­en anders als durch eine Einwirkung von außen entstanden sein dürften.

Dazu kommt, dass bei der ärztlichen Untersuchu­ng des damals Fünfjährig­en eine ganze Reihe von kleineren und größeren Hämatomen festgestel­lt wurden. Die könnten aber teilweise auch bei altersübli­chen Raufereien entstanden sein. Auch gab der Vater der Pflegefami­lie als Zeuge an, der Junge habe sich bisweilen selbst gekniffen, „weil er habe spüren wollen, dass es ihn noch gibt”. Auch eine Bisspur könne von einem anderen Pflegekind in der Familie stammen, das sehr dominant gewesen sei. Die Gutachteri­n erklärte allerdings, dass Menge und Ausmaß der Hämatome ungewöhnli­ch seien. Dem Angeklagte­n wird dies nicht angelstet.

Das Geschehen um die verbrühte Hand gibt weiter Rätsel auf, auch weil sich kein Motiv erkennen lässt. Richter Spahn entschied deshalb, die beiden Rettungssa­nitäter und den am Tatort ermittelnd­en Beamten zur Zeugenauss­age vorzuladen und vertagte die Verhandlun­g.

(*Name geändert)

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