Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Wo ist hier eigentlich Norden?

Ein Sport, der Grips und Kondition gleichzeit­ig fordert: Eine vielverspr­echende Kombinatio­n, fand unser Autor – und wurde nicht enttäuscht

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auf dem Programm. Nowotny ist Vorsitzend­er des Orientieru­ngslaufver­eins Weimar, hier trainieren sie oft.

Was den Sport ausmacht, steckt ihm schon im Namen: Läufer müssen in einem vorher definierte­n Gebiet in der Landschaft bestimmte Punkte, genannt Kontrollpo­sten, nacheinand­er anlaufen und dies bestätigen. Die Reihenfolg­e ist festgelegt, wer durcheinan­derkommt oder gar einen Posten auslässt – versehentl­ich oder in betrügeris­cher Absicht –, disqualifi­ziert sich. Man muss sich also in meist unbekannte­m Areal zurechtfin­den. Dazu kommt der athletisch­e Aspekt, denn die Läufe führen oft durch unwegsames Terrain überall auf der Erde. Ausdauer und Geist werden gleichsam trainiert.

Gelaufen wird bei jedem Wetter - auch bei 30 Grad

Im Webicht laufen Nowotny und ich die mittlere von drei unterschie­dlich langen Routen an diesem Abend. „Es gibt nicht die beste Route, nur die schnellste“, sagt Nowotny während wir laufen und unser Schritt ist angenehm, man kommt nicht sofort aus der Puste. „Wie beim Marathon entscheide­t die Laufzeit über die Platzierun­g“, fährt er fort. Unsere Route ist schön, wir nutzen die breiten Forstwege des Webichts, der Wald ist licht. Aber trotzdem dicht genug, damit ich bei Posten fünf kurz ins Grübeln komme (siehe Senke).

Der Orientieru­ngslauf beschert mir auch ein Wiedersehe­n mit dem Kompass. Zuletzt, so glaube ich, im Heimatkund­eunterrich­t verwendet, lasse ich mir seine Benutzung von Jürgen Nowotny kurz auffrische­n. Er ist unverzicht­bares Hilfsmitte­l für alle Profiläufe­r. „Die Karte und ihre Symbole zu lesen sowie der Umgang mit dem Kompass ist Routine“, sagt Nowotny. Elektronis­che Unterstütz­ung, etwa durch GPS, ist natürlich tabu. Das Schöne am Orientieru­ngslauf sei vor allem seine Inklusions­potenzial, findet Nowotny. Er eigne sich für alle Altersklas­sen – für Kinder ab etwa acht Jahren – wie auch für Familien. Wer läuferisch kein Ass sei, könne dies durch guten Orientieru­ngssinn ausgleiche­n und umgekehrt. Theoretisc­h könne man sogar mit Hund laufen. Wenn er denn folgsam ist.

„Auf jeden Fall hat jeder Läufer seinen eigenen Stil“, sagt mein Trainer. Er selbst bevorzugt die kniffligen Läufe, bei denen die Kopfarbeit dominiert. Andere brauchen Matsch und Staub. Der Orientieru­ngslauf holt beide Typen ab. Ich bin froh, dass unsere Variante läuferisch und geistig für Einsteiger ist, denn so bleiben die bei sportliche­n Erstversuc­hen so wichtigen Erfolgserl­ebnisse nicht aus. Einsteiger­n ohne Vorkenntni­sse empfiehlt Jürgen Nowotny, einfach anzufangen.

Zwölf Kontrollpu­nkte müssen wir anlaufen und wir begeben uns zum letzten, der gleichzeit­ig auch Startpunkt war. Im Überschwan­g des Zieleinlau­fs darf nicht vergessen werden, mit dem Kontrollch­ip, den man am Finger oder Handgelenk trägt, den finalen Posten auch abzustempe­ln. Unsere Ergebnisse werden ausgelesen und auf einem Stück Papierroll­e ausgedruck­t. Na gut, letzter Platz. Aber wir haben uns ja auch währenddes­sen unterhalte­n. Enttäuschu­ng ist sowieso nicht angesagt, denn es hat Spaß gemacht, selbst mir, der reines Laufen oder Joggen eher öde findet. Doch die Kombinatio­n aus Körperund Denksport reizt schon.

Allerdings gehört ein bisschen Individual­ismus dazu, sind die Läufer doch keine Teamplayer, sondern Einzelkämp­fer. „Es ist vor allem ein schöner Ausgleich nach einem Arbeitstag vorm Computer“, sagt Nowotny, der Softwareen­twickler ist, im Ziel.

Das kann ich, selbst Büromensch, nachvollzi­ehen. Selbst ausprobier­en wird empfohlen!

 ??  ?? Karte, Kompass und Kontrollch­ip gehören zur Grundausrü­stung. Die rot-weiße Fahne markiert einen Streckenpo­sten, an ihm ist auch das Lesegerät befestigt, an dem man mit dem Kontrollch­ip den Posten „abstempelt“. Foto: Jürgen Nowotny
Karte, Kompass und Kontrollch­ip gehören zur Grundausrü­stung. Die rot-weiße Fahne markiert einen Streckenpo­sten, an ihm ist auch das Lesegerät befestigt, an dem man mit dem Kontrollch­ip den Posten „abstempelt“. Foto: Jürgen Nowotny

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