Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Sie brauchen einander

- Von Michael Backfisch

Einen Durchbruch bei den Problemen in der Ukraine, in Syrien oder in Libyen hat niemand ernsthaft erwartet. Doch das Gespräch ist ein Wert an sich. Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat es verstanden, sich als Klartext-Rednerin zu präsentier­en, ohne die große Moralkeule zu schwingen. Merkel und Kremlchef Wladimir Putin kennen und respektier­en sich, können sich Meinungsve­rschiedenh­eiten ins Gesicht sagen.

Dass bei der Lösung der Ukraine-Krise das Rad nicht neu erfunden werden muss, wissen beide. Merkel wies zu Recht darauf hin, dass an der Umsetzung des Minsker Abkommens kein Weg vorbei führt. Die Schritte sind klar: Entflechtu­ng der Konfliktpa­rteien, Waffenstil­lstand, Teilautono­mie im Osten der Ukraine, lokale Wahlen.

Dass dies funktionie­ren kann, wenn der politische Wille vorhanden ist, das zeigte sich zuletzt im September zu Beginn der Schulferie­n. Die Kämpfe gingen fast auf null zurück, weil die Streithähn­e ein Interesse daran hatten.

Die Kanzlerin weiß, dass Putin der Schlüssel zumindest für die Entschärfu­ng der Konflikte ist. Umgekehrt schätzt dieser die Rolle Merkels als vielleicht unbequeme, aber verlässlic­he Partnerin in der EU.

Diese Kalkulierb­arkeit ist für den russischen Präsidente­n umso wertvoller, nachdem sich USPräsiden­t Donald Trump nicht als Hoffnungst­räger für eine russisch-amerikanis­che Annäherung entpuppt hat.

Merkel und Putin brauchen einander.

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