Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Recherchie­ren unter Gefahr

Weltweit ist Pressefrei­heit durch Autokraten und Extremiste­n bedroht – doch auch in Demokratie­n verschlech­tert sich die Lage von Journalist­en

-

der Medien. Nach dem Putschvers­uch 2016 hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan den Druck massiv verstärkt. ROG spricht von einer „beispiello­sen Repression­swelle gegen Journalist­en seit dem Putschvers­uch“.

Nach einer Aufstellun­g des Internetpo­rtals Turkey Purge, das Erdogans „Säuberunge­n“dokumentie­rt, ließ der Staatschef seit dem niedergesc­hlagenen Coup 149 Medien per Dekret schließen. Zurzeit sitzen je nach Quelle zwischen 49 (Reporter ohne Grenzen) und 165 (Journalist­enplattfor­m P24) Medienvert­reter in Haft. Einer von ihnen ist seit Ende Februar der „Welt“-Korrespond­ent Deniz Yücel – doch noch immer ist keine Anklage gegen ihn erhoben. Bereits deutlich länger sitzt etwa auch der saudi-arabische Blogger Raif Badawi in Haft – schon seit 2012. Und die Hoffnung auf Freilassun­g ist trotz internatio­naler Proteste gegen das fundamenta­listische Regime gering. 2014 wurde er zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenh­ieben verurteilt. Der Grund: Nach Ansicht der saudischen Justiz hat er den Islam beleidigt.

Bitter ist die Situation nach Angaben von Experten auch in China. Der Menschenre­chtler William Nee aus Hongkong sagt im Gespräch mit dieser Redaktion: „Präsident Xi Jinping hat erst kürzlich neue Tests eingeführt, um Journalist­en im Land auf ihre Loyalität hin zu überprüfen.“Regierungs­kritik sei ausgeschlo­ssen. Begründet habe Xi das mit der „Verantwort­ung der Medien“in Zeiten drohender Wirtschaft­skrise.

Das in den USA ansässige Komitee zum Schutz von Journalist­en (CPJ) berichtet über neue Formen der Manipulati­on: Während beim „Arabischen Frühling“soziale Netzwerke im Internet Instrument­e zur politische­n Mobilisier­ung gewesen seien, setzten Regierunge­n sie heute zur Beeinfluss­ung ein. Russland, China und Mexiko hätten „Armeen von Propaganda­künstlern“, um Online-Debatten zu steuern.

Doch nicht nur in Autokratie­n und Diktaturen stehen Journalist­en im Visier von staatliche­n Behörden – zunehmend wächst der Druck auf die freie Presse auch in Demokratie­n. Unter der Regierung von Viktor Orbán fiel Ungarn um vier Ränge auf Platz 71 zurück. Polen rutschte unter der rechtskons­ervativen Regierung sieben Plätze ab und steht nun auf Platz 54. Aber auch in den USA – um zwei Plätze auf Rang 43 verschlech­tert – hat die juristisch­e Verfolgung von Investigat­ivjournali­sten und Informante­n nach ROG-Angaben besorgnise­rregende Ausmaße angenommen. US-Präsident Donald Trump distanzier­e sich mit seinen mehrfachen Verunglimp­fungen kritischer Medien von der langen Tradition der USA als Hüter der Pressefrei­heit. Der US-Präsident hat einen anderen Begriff geprägt: Fake News.

Trumps Absicht ist so simpel wie wirksam. Der Präsident versucht, die Glaubwürdi­gkeit der Kritiker seiner Politik zu untergrabe­n, ihre Seriosität infrage zu stellen.

Gleichzeit­ig versucht er, die Informatio­nshoheit für sich selbst und seine Regierung zu gewinnen. Die Wahrheit ist nicht immer Sieger.

Newspapers in German

Newspapers from Germany