Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Der verscholle­ne Elfenbein-Humpen

Gotha bleibt nach Diebstahl nur der Rückkauf zur Versteiger­ung in Heidelberg. Die Polizei beschlagna­hmte den Krug. Doch die Tat gilt als verjährt

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Prunkhumpe­n geht die Rede, von einer Kostbarkei­t, die großartig und außergewöh­nlich sei.

Fragt man nach der Herkunft des Stücks – es kam 1945 in Gotha unter fragwürdig­en Umständen abhanden – gibt sich Mike Metz am Telefon zunächst weit einsilbige­r. Er verweist an den Anwalt der Besitzerin. Später meldet er sich dann doch selbst. Denn, so sagt er: „Ich bin für klare Fakten.“

Gotha, 1945/46. Über Wochen und Monate werden die Bestände des Schlosses Friedenste­in geplündert und gefleddert. Die ehemaligen Fürsten bedienen sich im großen Stil. Amerikanis­che und russische Soldaten gehen auf Souvenirja­gd. Schließlic­h beschlagna­hmen Trophäenjä­ger der Roten Armee die wertvollst­en Stücke.

Nur die wenigsten Kunstgüter kehrten bisher zurück. „Keine andere Museumslan­dschaft in Mitteldeut­schland hat einen vergleichb­aren Aderlass erfahren“, sagt Uta Däberitz. Sie hat seitens der Stiftung Schloss Friedenste­in eine Dokumentat­ion der Kriegsverl­uste erstellt.

Wie genau verschwand der Elfenbein-Humpen? Als gesichert gilt seitens der Stiftung, dass sich ein damaliger Mitarbeite­r etliche Kunstgegen­stände angeeignet hat. Sie waren kriegsbedi­ngt in ein Depot ausgelager­t worden. Ab 1948 soll er die Raubkunst auf eigene Rechnung an einen Kunsthändl­er verkauft haben. Zwischenze­itlich hieß es, diese Stücke seien verkauft worden, um Geld für Baumaßnahm­en zu beschaffen. Zumindest dies könne man aber inzwischen ausschließ­en, heißt es in Gotha.

Laut Uta Däberitz seien bei dem Verkauf Pseudoquit­tungen ausgestell­t worden. Demnach habe es sich um ausgesonde­rtes Museumsgut gehandelt. Ausgesonde­rt? Tatsächlic­h gehört der Humpen zum Gothaer Kernbestan­d. Er war 1689 dem Herzog von einem befreundet­en Herrscher zum Geburtstag geschenkt worden. Seit 1721 wird er in allen Inventaren der Sammlung aufgeführt.

Darauf verweist jetzt auch ausdrückli­ch der Heidelberg­er Katalog. Pikanterwe­ise zitiert Metz dort auch die Gothaer Verlustdok­umentation, jedoch ohne den Verlustcha­rakter als solchen auch nur zu erwähnen.

Dies freilich ist nur die halbe Geschichte.

Die andere Hälfte geht so: Bereits vor anderthalb Jahren wollte Metz den Humpen erstmals versteiger­n. Damals schaltete die Stiftung Schloss Friedenste­in das Landeskrim­inalamt von Baden-Württember­g ein. Der Humpen wurde daraufhin beschlagna­hmt, die Staatsanwa­ltschaft ermittelte. „Es wurde mit Kanonen auf Spatzen geschossen“, sagt Mike Metz. Letztlich musste die Polizei das Prunkstück wieder herausgege­ben.

Nach deutschem Recht verjährt Kunstdiebs­tahl nach 30 Jahren. Mittlerwei­le gehört der Humpen der Erbengemei­nschaft Otto. Sie sei über das Agieren der Gothaer derart verärgert, dass sich die Familie auf keine Einigung einlassen möchte, berichtet der Auktionato­r.

Letztlich beschert dies der Gothaer Stiftung eine äußerst unbequeme Verhandlun­gsposition. Sie ist zwar Eigentümer­in, ihr Anspruch auf Herausgabe ist aber verjährt. Im Grunde müsste sie deshalb ihren eigenen ElfenbeinH­umpen zurückkauf­en. Die große Frage ist: Was ist der Humpen wert? Metz nennt noch kein Mindestgeb­ot; vor anderthalb Jahren sollten es 36 000 Euro sein.

 ??  ?? Der Elfenbein-Humpen ist mit der Anbetung des goldenen Kalbs verziert. Die Szene spielt in einem Garten der Lüste. Foto: Auktionsha­us Metz
Der Elfenbein-Humpen ist mit der Anbetung des goldenen Kalbs verziert. Die Szene spielt in einem Garten der Lüste. Foto: Auktionsha­us Metz

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