Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
Sommerfrische auf Suche nach Inhalten
Über die Neubelebung der „Sommerfrische Schwarzatal“im Gespräch mit Ines Kinsky und Burkhard Kolbmüller vom Verein Zukunftswerkstatt
In ihrer „Sommerfrische“suchten im 19./20. Jahrhundert Gäste aus ganz Deutschland im Schwarzatal Erholung. Die Tradition der Sommerfrische wird heute durch die Zukunftswerkstatt Schwarzatal wieder neu belebt. Die heutige „Sommerfrische“steht dabei neben traditionellen Formen des Tourismus wie Wandern oder Radfahren auch für neue Angebote an Menschen, die Orte der Entschleunigung und die Natur suchen. Außerdem gibt es eine Vielzahl von Häusern, die entdeckt und erobert werden sollen. OTZ sprach mit Ines Kinsky und Burkhard Kolbmüller von der Zukunftswerkstatt Schwarzatal.
Was wird in der Veranstaltungsreihe „Sommerfrische Schwarzatal“2017 geboten? Burkhard Kolbmüller: In diesem Jahr steht der „Tag der offenen Sommerfrische“am 27. August im Mittelpunkt. Da werden in zehn Orten im Tal traditionsreiche Häuser zugänglich gemacht. Dazu gibt es Führungen, Ausstellungen, Erzählcafés, gastronomische Angebote und kulturelle Veranstaltungen. Wir wollen damit Auswärtige für die Region interessieren, aber auch in den Orten das Bewusstsein für diese Traditionen und den vorhandenen architektonischen Reichtum stärken. Bereits in der Vorbereitungsphase sind die Reaktionen überaus positiv und ermutigend.
Ines Kinsky: Neues hat nur dann Erfolg, wenn es an Vorhandenes anknüpft. Das gilt insbesondere dann, wenn man Mitstreiter gewinnen und Akzeptanz erlangen will. Zum Glück ist das Thema Sommerfrische vor Ort noch präsent – hier kann Neues und Experimentelles an Bewährtes andocken.
Am 1. Mai fiel der Startschuss für die „Sommerfrische“2017, allerdings gekoppelt mit der Eröffnung des Maschinariums der Bergbahn, warum das? Burkhard Kolbmüller: Es gab und gibt eine enge Verbindung zwischen Schwarzatalbahn und Sommerfrische. Mit dem Bau der Bahn konnten nach 1900 Menschen auch aus ferneren Städten bequem ins Schwarzatal reisen, die Folge war ein starker Aufschwung des Tourismus. Auch heute ist die Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn (OBS) nicht „nur“ein Transportunternehmen, sondern ein wichtiger Partner der regionalen Entwicklung.
Ines Kinsky: Und zieht Zehntausende Besucher an. Übrigens war die Eröffnung der Sonderausstellung „Sommerfrische“Teil des Festaktes zur Eröffnung des Maschinariums am Montag. Und die Bergbahn verweist auf ihrer Internetseite auf die Sommerfrische-Ausstellung.
Die Sommerfrische-Gäste ins Schwarzatal zurückholen, wie soll das gelingen?
Burkhard Kolbmüller: Der gesamte Landkreis leidet unter Bevölkerungsrückgang und Leerstand, auch im Schwarzatal ist das unübersehbar. Mit den Sommerfrische-Aktionen wollen wir auch versuchen, neue Nutzungen und vor allem neue Nutzer für derzeit leer stehende Häuser zu finden. In den urbanen Zentren gibt es zunehmend Leute, die genau das suchen, was wir hier im Überfluss haben: Naturnähe, Ruhe – und preisgünstige Immobilien. Wenn sich neue Bewohner ansiedeln, wird die Region krisenfester und zukunftsfähiger werden.
Ines Kinsky: Wer genau hinschaut und hinhört, merkt: Es grünt sozusagen bereits rings um uns her. Aus den Reihen der Streuobstinitiative sind KleinUnternehmen entstanden, die Menschen vor Ort Arbeit und Einkommen bescheren. Als beginnende zarte Keime könnten auch die gestiegenen Gästezahlen im Schwarzatal bezeichnet werden.
Leerstehende Gebäude im Schwarzatal sind ein interessanter Ansatz...
Ines Kinsky: Es geht uns nicht darum, ‚lost places‘ (verorene Orte) zu zeigen, sondern wir möchten die Objekte mit Leben erfüllen und zeigen, dass es noch nicht zu spät ist! Dabei unterstützen uns Kommunen und Vereine mit verschiedenen Aktionen. Da gibt es Kaffee und Kuchen, Theaterstücke, Film- und Fotoprojektionen und natürlich an der ein und anderen Stelle unsere Sommerfrische-Ausstellung, die alte Zeiten lebendig werden lässt. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass gerade Sommerfrische-Architektur im Kontext ihrer Geschichte Menschen berührt.
Aber wäre ein verfallendes Gebäude nicht ein falsches Signal an Sommerfrische-Gäste? Burkhard Kolbmüller: Wenn sich nichts tut und die Häuser weiter verfallen, sicher. Aber genau dagegen wollen wir ja etwas tun.
Ines Kinsky: Nicht jedes scheinbar verfallende Gebäude muss zwangsläufig auch weiter verfallen. Jeder Leerstand – bietet auch ein Potenzial. Wir wollen nicht bei der Auflistung der Mängel enden, sondern schauen, was man daraus machen kann. Wir suchen Potenziale, wo auf den ersten Blick ein Missstand zu sehen ist. Sei es im Finden einer neuen Nutzung oder im Abbruch, der ein Grundstück freimacht, das anderweitig nachgenutzt werden kann. Mit Hilfe der Internationalen Bauaustellung Thüringen (IBA) erkennen und kommunizieren wir eben nicht nur leerstehende Häuser, sondern Baukultur und Lebensgefühl, Geschichte und Geschichten, die Menschen an ihre Heimat binden und für das Schwarzatal interessieren. Womit konkret hoffen Sie, die Bürgerschaft zu erreichen? Burkhard Kolbmüller: Wir merken bei jedem Gespräch: Das Thema Sommerfrische interessiert und motiviert die Menschen vor Ort und zwar nicht nur die Bürgermeister, sondern auch Heimatforscher, Ortschronisten und den „ganz normalen Bürger“, der sich noch gern an die 70er und 80er Jahre zurück erinnert. Ein „Renner“ist zum Beispiel die beleuchtete Glastanzfläche des ehemaligen Hotels Zur Linde in Sitzendorf – ausnahmslos jeder, der heute über 50 ist, erinnert sich an wilde Parties dort. Da ist es sicher noch ein weiter Weg bis zu neuen Nutzungen – aber man kommt mit den Leuten ins Gespräch und dann auch zu weiteren Sorgen und Ideen. Wir wollen übrigens versuchen, am 27. August die Glastanzfläche wenigstens provisorisch noch mal in Betrieb zu nehmen.
Im Schwarzatal erinnert man sich sicher gern der Sommerfrischler und auch der vielen FDGB-Urlauber. Wie kann man solche Beliebtheit wieder erreichen?
Ines Kinsky: Dass Vergangenes nicht 1:1 zurückgeholt werden kann, ist klar. Die Akteure des Vereins Tourismusregion Rennsteig-Schwarzatal haben sich Gedanken zur Entwicklung des Tourismus im Schwarzatal gemacht, gemeinsame regionale Ziele gefunden und mit der Landestourismusentwicklung abgestimmte Schwerpunkte einer Produktentwicklung für die Urlaubsdestination Schwarzatal gesetzt. Erstens Aktiv-Urlaub (Wandern, Radfahren), zweitens Besonderheit Friedrich Fröbel, drittens Thüringer Tischkultur mit Kräutern und Olitäten. Genau diese Schwerpunkte finden Sie in den Projekten der OBS umgesetzt, etwa mit Fröbelwald, Olitätenwagen, die spezielle ‚Kräuterbratwurst‘, die es nur an der Bergbahn gibt, und so weiter. Die Entwicklung rund um Schloss Schwarzburg ist übergreifender Schwerpunkt der Region. „Sommerfrische“verankert das Bemühen um touristische Entwicklung in der Tradition der Region und gibt den Ansatz für eine besondere Prägung. Die Entwicklungsschneise ist also freigeschnitten.
(Interview: Henry Trefz)