Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
Leichenfund: Polizei sucht nach Zeugen
Frau trug grünes Shirt und blaue Leggins
Heideland. Bei der am Donnerstag entdeckten Leiche aus Heideland im Saale-HolzlandKreis handelt es sich um eine Frau im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Das ergab eine rechtsmedizinische Untersuchung des stark verwesten Körpers, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Gera gestern mitteilte.
Demnach ist die Frau bereits seit mehreren Wochen tot. Die Todesursache konnte bislang nicht geklärt werden. Es werde derzeit in alle Richtungen ermittelt, hieß es.
Ein Spaziergänger hatte die Leiche im Graben eines Feldwegs südlich des Ortsteils Lindau entdeckt und die Polizei informiert. Nach Angaben der Polizei war der Körper unweit der Autobahn A 9 teilweise mit Erde bedeckt.
Die Bereitschaftspolizei aus Erfurt war ebenfalls im Einsatz gewesen, um die Ermittlungen zu unterstützen. So sei von den Beamten beispielsweise der Fundort am Feldweg weiträumig abgesperrt worden, hieß es.
Eine Sonderkommission der Kriminalpolizei Jena ermittelt nun in dem Fall. Ein Verbrechen wird laut Polizei derzeit nicht ausgeschlossen. Nähere Angaben zum Fundort wollte die Staatsanwaltschaft aber aus ermittlungstaktischen Gründen zunächst nicht machen. Man hoffe aber auf Zeugen in dem Fall. Nach Angaben des Sprechers hatte die Frau blaue Leggins und ein grünes T-Shirt an. Sie sei etwa 1,75 Meter groß und habe 30 Zentimeter langes braunes Haar. (dpa)
Als der NSU-Prozess am 6. Mai 2013 unter maximaler Aufregung vor dem Oberlandesgericht in München begann, war die Welt noch eine andere. Die Partei, die sich Alternative nennt, existierte erst seit ein paar Wochen. Angela Merkel stand vor einer triumphalen Wiederwahl. Die deutsche Mannschaft begann sich auf die Fußball-WM vorzubereiten, die sie später gewinnen sollte. Und Donald Trump war noch ein obskurer US-Immobilienunternehmer, der im Fernsehen auftrat.
Zu Beginn des Prozesses verlasen die Vertreter der Bundesanwaltschaft die Anklageschrift. Sie umfasste 500 Seiten. Der Hauptangeklagten Beate Zschäpe wurde die Mittäterschaft an allen Verbrechen des selbst ernannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vorgeworfen: Die neun Morde an Menschen mit Migrationshintergrund, der Mord an einer aus Oberweißbach (Landkreis Saalfeld-Rudolstadt) stammenden Polizeibeamtin, der Mordversuch an ihrem Kollegen, zwei Sprengstoffanschläge mit Dutzenden Verletzten und 15 Raubüberfälle. Hinzu kamen die Gründung und Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung, schwere Brandstiftung und versuchter Mord. Mitangeklagt wurden Ralf Wohlleben und Carsten S. wegen der Beihilfe am neunfachen Mord. Sie sollen die Pistole besorgt haben, mit der die neun türkisch- und griechischstämmigen Männer erschossen wurden. Holger G. und André E. klagte die Bundesanwaltschaft wegen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung an, weil sie den NSU unter anderem mit falschen Papieren versorgt sowie Wohnungen und Autos angemietet haben sollen.
Fünf Jahre und zwei Monate später, am morgigen Mittwoch, soll das Urteil in München fallen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Warum dauerte der Prozess so lange?
Die lange Dauer erklärt sich vor allem aus der hohen Zahl der Prozessbeteiligten und der zu verhandelnden Taten, die länger als ein Jahrzehnt zurückliegen. An 437 Verhandlungstagen tagte der Strafschutzsenat des Münchner Oberlandesgerichts im Saal A 101 des Justizzentrums der bayerischen Landeshauptstadt. Vor der Richterbank ballten sich: Fünf Angeklagte, bis zu 15 Verteidiger, drei Vertreter der Bundesanwaltschaft und ein großer Teil der 93 Nebenkläger mit ihren Anwälten. 815 Zeugen und Sachverständige wurden vernommen, manche sogar mehrfach und über mehrere Tage.
Die Verhandlung wurde immer wieder durch neue Befangenheitsanträge der Angeklagten aufgehalten. Auf halber Strecke entzog Beate Zschäpe ihren drei Pflichtverteidigern das Vertrauen und bekam auf Antrag einen weiteren Pflichtverteidiger sowie einen Wahlverteidiger zugeteilt. Allein dieses Manöver dauerte Monate.
Zudem stellten die Nebenklagevertreter immer neue Beweisanträge, um das Umfeld des NSU aufzuklären und den Ermittlern institutionellen Rechtsextremismus nachzuweisen. Hier versuchten wiederum Gericht und Bundesanwaltschaft zu bremsen. Am Ende flossen auch Erkenntnisse aus den Anträgen der Nebenkläger ins Plädoyer der Ankläger mit ein.
Was konnte der Prozess aufklären?
An der Täterschaft von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos besteht nach der mehr als vierjährigen Beweisaufnahme kein Zweifel mehr. Zschäpe selbst räumte in einer schriftlichen Stellungnahme alle Taten der beiden ein – bestritt aber die ihr vorgeworfene Mittäterschaft. Allein die Raubüberfälle habe sie gebilligt, teilte sie mit. Zugleich gestand sie, das Feuer in der letzten Wohnung des Trios in der Zwickauer Frühlingsstraße gelegt zu haben. Gleichzeitig dementierte sie aber den Mordversuch. Sie habe versucht, die Nachbarn zu warnen.
Als einziger Angeklagter sagte Carsten S. umfangreich aus. Dabei belastete er sich und Ralf Wohlleben schwer. Holger G. räumte einige Anklagepunkte ein und belastete zum Teil Zschäpe. Wohlleben gestand, an der Lieferung einer Pistole an Böhnhardt und Mundlos beteiligt gewesen zu sein, bestritt aber, dass es sich dabei um die Mordwaffe handelt. In der Verhandlung wurde jedoch minutiös nachgewiesen, wie die Waffe von der Schweiz nach Jena gelangt war, wo sie mutmaßlich von Carsten S. auf Anweisung von Wohlleben gekauft und danach zum Trio gebracht wurde.
Vor allem auf Initiative der Nebenklage wurde gezeigt, dass das Netzwerk des NSU weit über die fünf Angeklagten hinaus reicht.
Was konnte der Prozess nicht aufklären?
Beate Zschäpe, die wohl als einziger Mensch volle Aufklärung hätte geben können, schwieg erst jahrelang und sagte dann nur teilweise über ihre Anwälte aus. In ihrer Erklärung gab sie keinerlei Hinweise, die über die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden hinausreichten.
Auch ihre anderen Mitangeklagten sagten nur teilweise aus oder schwiegen wie André E. ganz. Zeugen aus dem Nazimilieu erklärten, sich nicht mehr erinnern zu können, oder wurden gar beim Lügen ertappt.
Vor allem eine Tat bleibt mysteriös: Der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter im April 2007 in Heilbronn. Die Beteiligung von Böhnhardt und Mundlos scheint belegt. Doch legen Zeugenaussagen nahe, dass es weitere Täter gab. Gerüchte über die Beteiligung von Geheimdiensten konnten nicht vollständig entkräftet werden.
Verdächtig bleibt auch ein anderer Fall. So wurde der frühere hessische Verfassungsschützer Andreas T., der sich bei dem Mord an Halit Yozgat zur Tatzeit am Tatort aufhielt, mehrere Tage lang ergebnislos vernommen. Der frühere Beamte widersprach sich selbst mehrfach und berief sich immer wieder auf fehlende Erinnerung.
Im Dunkeln bleibt zum größten Teil, wie genau Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt zwischen 1998 und 2011 im Untergrund zusammen lebten und wie die Morde sowie Raubüberfälle und Sprengstoffanschläge vorbereitet wurden. Die Aussagen der Nachbarn und Urlaubsbekannten beleuchteten nur Ausschnitte. Unklar ist immer noch, warum die Morde und Anschläge im Jahr 2007 endeten.
Welche Urteile sind zu erwarten?
Das Gericht wird sich dicht an die Strafforderungen des Generalbundesanwalts halten. Es dürfte Beate Zschäpe zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilen und die besondere Schwere der Taten feststellen – was eine vorzeitige Entlassung stark erschwert. Wenig wahrscheinlich ist, dass die Richter die nachträgliche Sicherungsverwahrung ins Urteil schreiben.
Ralf Wohlleben sieht einer zwölfjährige Haftstrafe entgegen. Allerdings sitzt er wie Zschäpe seit sechseinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Da ihm diese Zeit angerechnet wird und er gute Chancen hat, nach Verbüßen von zwei Dritteln seiner Strafe wieder in Freiheit zu kommen, könnte er bereits 2020 entlassen werden.
André E., der dem NSU bis zum Schluss geholfen haben soll, würde eine Verurteilung härter treffen. Auch für ihn hat die Bundesanwaltschaft zwölf Jahre Gefängnis beantragt. Da er keine Reue zeigte und nicht aussagte, muss er ein hartes Urteil erwarten. Er sitzt aber erst seit vergangenen September in Untersuchungshaft.
Was hat der Prozess gekostet?
Der damalige Präsident des Oberlandesgerichts in München, Karl Hubert, hatte 2015 die Kosten im NSU-Verfahren pro Prozesstag mit etwa 150 000 Euro angegeben. Auf die Verhandlungstage gerechnet läge die Summe bei 65 Millionen Euro liegen.
Bei Anklagen durch den Generalbundesanwalt muss der Bund die Kosten für Staatsschutzverfahren tragen. Der Freistaat Bayern erhielt für die ersten beiden Prozessjahre Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 10,9 Millionen Euro. Das ist deutlich weniger pro Prozesstag als die von Hubert veranschlagten Kosten.
In dieser Summe sind die Forderungen der Rechtsanwälte sowie die Aufwandsentschädigungen für Zeugen und Gutachter enthalten. Anwälten steht pro Verhandlungstag eine Grundgebühr von 434 Euro zu. Sollte das Gericht länger als acht Stunden verhandeln, kommt ein Zuschlag von 356 Euro hinzu. Außerdem erhalten auswärtige Anwälte die Anreise per Flug oder Bahn bezahlt und bekommen für die Autofahrt pro Kilometer 30 Cent. Hotelkosten werden bis zu 110 Euro pro Nacht erstattet.
Was ist mit den anderen Beschuldigten?
Parallel zum NSU-Prozess laufen bei der Bundesanwaltschaft zwei weitere Verfahren. Konkret ermittelt wird unter anderem gegen die Frau des Angeklagten André E. sowie weitere Unterstützer. Zumeist wird ihnen die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Die Bundesanwaltschaft scheint mit einer Anklageerhebung auf das Urteil zu warten, das feststellen wird, ob der „Nationalsozialische Untergrund“als Terrorgruppe einzustufen ist.
Ein zweites Verfahren wird gegen „Unbekannt“geführt. Anwälte der Nebenklage kritisieren diese allgemeine Klassifizierung, weil damit keine Akteneinsicht in die Ermittlungen möglich ist. Ohne konkrete Beschuldigte bleibt den Anwälten dieser Weg versperrt. Das Verfahren ist im Verlauf des Prozesses nur bekannt geworden, weil die Vertreter der Bundesanwaltschaft mehrfach einräumen mussten, Zeugen vernommen zu haben, deren Unterlagen aber nicht in den NSU-Prozessakten auftauchten.