Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
Brite ausgeraubt
Moskau. Ein britischer Fan ist bei einer Taxifahrt in Moskau ausgeraubt worden. Unbekannte hätten dem 56-Jährigen eine teure Uhr, ein Mobiltelefon und Bargeld gestohlen, meldete die Agentur Tass unter Berufung auf Behördenkreise. Der Schaden belief sich auf knapp zwei Millionen Rubel (etwa 27 000 Euro).
Kenny Verhoene (45) weiß nicht so recht, ob er vorm Spiel gegen Frankreich auf den Dachboden steigen soll. In irgendeiner Kiste lagert die Trikotsammlung des Jenaer Sportdirektors, der einst für die U21-Nationalmannschaft von Belgien aufgelaufen ist.
Ob die Trikots von noch passen? „Die waren damals etwas weiter geschnitten“, sagt der leitende Angestellte des Drittligisten FC Carl Zeiss Jena, den der Erfolg seiner Heimatnation nicht wundert. Schon vor dem Turnier sah er das Team als Geheimfavorit, tippte aber auf den Weltmeister Frankreich. „In dem Spiel treffen die beiden besten Mannschaften der WM aufeinander. Wer das Halbfinale gewinnt, holt auch den Titel.“
Frankreich und Belgien eine, dass „beide ein hervorragendes Kollektiv mit drei herausragenden Spielern haben, die in jedem Moment ein Spiel entscheiden können“. Für Belgien nennt er das Offensivtrio Romelu Lukaku, Eden Hazard und Kevin De Bruyne, das den Unterschied mache. An Talenten habe es der belgischen Nationalmannschaft schon vor vier Jahren nicht gemangelt. „Das Potenzial reichte, um gegen die kleineren Gegner zu überzeugen. Aber gegen die großen Fußballnationen haben sie Fehler gemacht.“
Inzwischen habe sich die Mannschaft vor allem taktisch weiterentwickelt. „Sie bleiben ruhig im schwierigen Umfeld“, sagt Verhoene und nennt als Beispiel das Spiel gegen Japan. 0:2 lag die Mannschaft in der zweiten Halbzeit hinten, aber drehte das Achtelfinale noch in der regulären Spielzeit. Die ein oder andere hämische Kurzmitteilung sei nach dem 0:2 schon eingegangen. „Aber ich habe kurz daran erinnert, dass noch 20 Minuten zu spielen waren“, sagt der Belgier und grinst.
Doch was macht das kleine Belgien besser als Deutschland? Verhoene überlegt einen Moment, bevor er das Ausscheiden Deutschlands analysiert. Die goldene Generation von Spielern sei etwas in die Jahre gekommen, dagegen seien die Belgier in den besten Jahren. „Im Vergleich zu 2014 hat Deutschland nichts an der Spielphilosophie geändert. Da war wenig Überraschendes bei den Laufwegen dabei. Die Gegner haben sich darauf eingestellt“, sagt der Jenaer Sportdirektor, der auch Deutschland den Turniersieg zugetraut hatte.
In Sachen Nachwuchsarbeit sei Belgien auf einem guten Niveau. Die Spitzenclubs haben eigene Nachwuchsleistungszentren. „Aber die meisten aktuellen Nationalspieler sind schon in jungen Jahren in die Niederlande, nach Frankreich oder England gewechselt“, sagt Verhoene. Die kurzen Wege im Beneluxraum einerseits, aber auch die Sprachen andererseits seien Gründe, sich für diese Nationen zu entscheiden.
Verhoene selbst arbeitet seit 2015 beim FC Carl Zeiss. Er war in die Heimat seiner Frau gezogen und hatte sich um einen Job im Nachwuchsleistungszentrum beworben. Im Frühjahr 2016 stieg er zum Sportlichen Leiter auf und legte gemeinsam mit Trainer Mark Zimmermann den Grundstein für die Rückkehr in die dritte Liga. Egal wie das Halbfinale ausgeht, freut er sich schon auf die anstehenden Taktikberatungen. „Da habe ich die nächsten vier Jahre Ruhe, weil es immer schwer mit Landsleuten zu diskutieren war, deren Nation Weltmeister ist“, sagt er mit einem Augenzwinkern.
Das Spiel heute Abend will er mit der Familie vorm heimischen Fernseher anschauen. Bier und Pommes nehmen die Belgier normalerweise beim Fußball zu sich. „Bier auf jeden Fall“, sagt Verhoene, wagt aber keinen konkreten Tipp – auch angesichts der starken Defensive Frankreichs. „Natürlich hoffe ich, dass Belgien es schafft.“Der Aberglaube will es, dass er seinen alten Nationaltrikots lieber in der Kiste lässt. „Bislang ging es auch ohne.“