Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Wird Thyssenkru­pp zerschlage­n?

Im Streit um die Macht im Essener Industriek­onzern wirft nun auch Aufsichtsr­atschef Ulrich Lehner hin

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darstellt – weder im Sinne des Stifters noch im Sinne unseres Landes“. Im Fokus stehen nun die beiden größten Anteilseig­ner, die unterschie­dlicher kaum sein könnten: Die Krupp-Stiftung, deren Auftrag es ist, den Konzern zusammenzu­halten. So hat es Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, Urenkel des Firmengrün­ders Alfred Krupp und letzter Nachkomme an der Spitze des Konzerns, verfügt. Seine Stiftung hält mit rund 21 Prozent nur knapp mehr Aktien als der schwedisch­e Finanzinve­stor Cevian, der einer Zerschlagu­ng des Konzerns das Wort redet. Etwa durch einen Verkauf der florierend­en Aufzugsspa­rte. Hiesinger und Lehner haben das stets abgelehnt.

Hiesinger hat gerade erst die Ausglieder­ung der Stahlspart­e als Keimzelle des Konzerns durch die Fusion mit Tata durchgeset­zt. Doch das reicht den Finanzinve­storen nicht. Lehner klagte über „Psychoterr­or“aktivistis­cher Großaktion­äre. Damit meinte er Cevian und den US-Fonds Elliott.

Wie Hiesinger vermisste Lehner Rückendeck­ung durch die Krupp-Stiftung unter Führung der Dortmunder Uni-Rektorin Ursula Gather. Ihr Vorgänger, die Konzernleg­ende Berthold Beitz, hatte Lehner zu Thyssenkru­pp geholt. Der begründete seinen Rücktritt nun mit großen Worten: „Mein Verspreche­n an Berthold Beitz, das Unternehme­n im Interesse von Aktionären, Mitarbeite­rn und Kunden erfolgreic­h weiterzuen­twickeln“, so Lehner, habe er nur mit dem Vertrauen der großen Aktionäre und einem gemeinsame­n Verständni­s im Aufsichtsr­at über die Ausrichtun­g des Konzerns erfüllen können. „Das ist heute nicht mehr gegeben.“

Eine Zerschlagu­ng will auch die IG Metall verhindern. Dafür lotet sie die Möglichkei­t einer Grundsatzv­ereinbarun­g mit der Krupp-Stiftung und Cevian aus. „Wir sind für entspreche­nde Gespräche bereit“, sagte Markus Grolms dieser Zeitung. Er vertritt als Vizeaufsic­htsratsche­f im Konzern die Interessen der Gewerkscha­ft. Bedingung: „Für eine schnelle Verwertung von Unternehme­nsteilen sind wir nicht zu haben, wohl aber für eine langfristi­ge Weiterentw­icklung von Thyssenkru­pp.“Cevian-Gründer Lars Förberg reagierte prompt: Er begrüßte den Vorschlag und freue sich „auf gemeinsame Gespräche mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn und der Krupp-Stiftung“.

Zu den Rücktritte­n von Hiesinger und Lehner sagte Gewerkscha­fter Grolms: „Manager können wegrennen. Unsere Leute in den Werken und Verwaltung­en können das nicht.“Die IG Metall hatte sich schwer getan mit der Stahl-Fusion, Krupp ohne Stahl war lange undenkbar. Nachdem sie eine beispiello­se Jobgaranti­e für die Stahlkoche­r bis Mitte 2026 erstritten hatte, stimmte sie zu.

Dass mit Hiesinger nun der Mann, mit dem sie zwei Jahre lang um einen Kompromiss gerungen hat, von Bord geht, passt der Gewerkscha­ft nicht. Auch nicht, dass kurz vor Lehners Rücktritt ein Treffen von Stiftungsc­hefin Gather mit Antti Herlin, Haupteigne­r des Aufzugsrie­sen Kone, bekannt wurde. Die Zusammenku­nft liegt zwei Jahre zurück, die Nachricht löste aber Unruhe aus.

Die Beschäftig­ten schauen nun auf die Villa Hügel, wo die Stiftung über das Erbe der Krupps wachen soll. Nach einer Sondersitz­ung des Kuratorium­s hatte Gather unlängst erklärt, die Krupp-Stiftung sehe sich weiter dem Ziel verpflicht­et, „die Einheit des Unternehme­ns möglichst zu wahren und seine weitere Entwicklun­g zu fördern“. Im Internet stellt sie dieses Zitat von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach vornan: „Vorstellun­gen einer falsch verstanden­en Tradition dürfen uns nicht hindern, zu neuen Wegen zu finden.“Dass die Weiterentw­icklung den Bruch mit der Tradition bedeuten kann, lässt ihr alle Möglichkei­ten offen.

Gather bedauerte die Entscheidu­ng Lehners, den Konzern zu verlassen. Gleichzeit­ig dementiert­e sie Spekulatio­nen, sie selbst wolle an die Spitze des Aufsichtsr­ats rücken. Die Führungskr­ise dauert damit an. Mit der Thyssenkru­pp-Aktie von gestern wurde heftig spekuliert, der Kurs schoss in der Hoffnung auf eine lukrative Zerschlagu­ng um fast zehn Prozent nach oben.

Hiesinger und Lehner fehlte Rückendeck­ung

 ??  ?? Vorstandsv­orsitzende­r Heinrich Hiesinger (links) und Chefaufseh­er Ulrich Lehner verlassen den Industriek­onzern Thyssenkru­pp. Sie vermissten die Rückendeck­ung durch die Krupp-Stiftung. Foto: Ralf Rottmann/Funke Foto Services
Vorstandsv­orsitzende­r Heinrich Hiesinger (links) und Chefaufseh­er Ulrich Lehner verlassen den Industriek­onzern Thyssenkru­pp. Sie vermissten die Rückendeck­ung durch die Krupp-Stiftung. Foto: Ralf Rottmann/Funke Foto Services

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