Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
Hat Trump die USA verraten?
Nach dem Gipfeltreffen mit Russlands Staatschef Putin wird der US-Präsident in seiner Heimat mit heftigen Vorwürfen empfangen
ich sage euch, dass das heutige Dementi von Präsident Putin extrem stark und wuchtig war“, erklärte Trump vor den Augen und Ohren der Weltöffentlichkeit. Ein Satz für die Geschichtsbücher.
Binnen Minuten brach im Internet ein brachialer Sturm der Entrüstung los, der Trump noch vor der Rückkehr nach Washington zu einer getwitterten Schadensbegrenzung veranlasste. Tenor: Es bleibe bei seiner Vertrauenserklärung an die eigenen Geheimdienste. Allerdings dürften sich die beiden größten Atommächte der Erde nicht in Problemen aus der Vergangenheit verkämpfen, sondern müssten sich den großen Themen der Zukunft zuwenden. Im Klartext: präsidialer Schlussstrich. Basta.
Gestern Nachmittag Ortszeit dann der erkennbar widerwillig und halbherzige Rückzieher. Am Rande einer Sitzung mit Kongress-Abgeordneten, in der es um Steuerkürzungen gehen sollte, las Trump eine schriftliche Erklärung ab. Tenor: Er „akzeptiere“nun die „Schlussfolgerungen“der eigenen Geheimdienste, die Russland eindeutig als Schuldigen überführt hatten und er habe „volles Vertrauen“in die Organe von NSA bis FBI.
In Helsinki habe er sich „versprochen“, sagte Trump und kündigte an, seine Regierung werde alles tun, um die Kongresswahlen im November vor Angriffen von außen zu schützen. Reporter, die anwesend fahren, äußerten danach Zweifel an der Lauterkeit des Präsidenten. Wörtlich hatte der Präsident gesagt: „Ich akzeptiere die Schlussfolgerung unserer Geheimdienste, dass die Einmischung Russlands in die Wahlen von 2016 stattgefunden hat. Es können aber auch andere Leute gewesen sein. Es gibt eine Menge Leute da draußen.“ Zuvor hat Trumps Auftritt in Helsinki massive Gegenwehr vieler Schlüsselfiguren in Politik und Regierung ausgelöst. Vorneweg Dan Coats. Der frühere USBotschafter in Deutschland, jetzt oberster Geheimdienst-Koordinator unter Trump, hatte lange vor Helsinki bekräftigt, was sämtliche US-Dienste einstimmig beurkunden: dass der Kreml mit manipulativen, kriminellen Absichten 2016 mehrfach in den Wahlprozess eingreifen ließ. Und, noch viel wichtiger, dass Moskau dies auch bei den bereits in vier Monaten stattfindenden Zwischenwahlen im Kongress erneut zu tun gedenke.
Das Vornehmeste in der Demokratie – das Vertrauen in die Unverletzlichkeit der Wahlen – ist damit in den USA weiter akut bedroht. Nachdem Trump in Helsinki Coats Wort hemdsärmelig mit dem von Putin auf eine Glaubwürdigkeitsebene stellte, erneuerte der 75-Jährige seine Vorwürfe gegen Russland. „Wir waren deutlich in unserer Einschätzung über die russische Intervention bei der Wahl von 2016 und über ihre weiterhin anhaltenden, umfassenden Anstrengungen, unsere Demokratie zu unterminieren“, erklärte Coats schriftlich, „und wir werden daran festhalten, weiterhin ungeschönte und objektive Geheimdienstinformationen zu liefern, um unsere nationale Sicherheit zu gewährleisten.“
Die Phalanx der einhelligen Ablehnung war so fest wie nie. Vom republikanischen Urgestein Senator John McCain („eine der schändlichsten Vorstellungen eines amerikanischen Präsidenten seit Menschengedenken“) über SenatsFraktionschef Mitch McConnell („Russland ist nicht unser Freund“) bis zum Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Senat, Bob Corker („Wir tippen, dass Putin gerade Kaviar isst“) – kein Republikaner von Rang ließ auch nur ein gutes Haar an Trump.
Bei den Demokraten war die Tonlage erwartungsgemäß noch vernichtender. Senats-Anführer Chuck Schumer bezeichnet Trump als „gedankenlos und gefährlich“.
Noch schmerzhafter für Trump ist der Liebesentzug bei erzkonservativen Büchsenspannern. Mitch McConnell, republikanischer Senatsfraktionschef
Newt Gingrich, der einst Bill Clinton zu Fall bringen wollte und sich bisher als einer der glühendsten Trump-Verehrer profiliert hat, war fassungslos: „Das war der ernsteste Fehler seiner bisherigen Präsidentschaft“, sagte der republikanische Senior, „und er muss sofort korrigiert werden.“Wer gestern Trumps Hofberichterstattungssender Fox News einschaltete, bekam ebenfalls das Gefühl, dass etwas ins Rutschen gekommen sein könnte. „Schäbig“oder „schändlich“sind Vokabeln, die man dort im Zusammenhang mit Trump sonst nie hört.
Dass Trump der Welt gezeigt hat, dass er der „Lakai“Putins ist (New York Times), werde dem Präsidenten und den ihn tragenden Abgeordneten bei den Wahlen im November schaden, mutmaßen mehrere US-Kommentatoren. „Ein US-Präsident, der keine klare Kante gegenüber Russland zeigt, müsste bei aller Wertschätzung für den AntiPolitiker Trump für die meisten Amerikaner eine unverdauliche Angelegenheit sein“, sagte ein ehemaliger US-Diplomat dieser Redaktion.
Dennoch sei nicht auszuschließen, dass Trump auch diese „Katastrophe“unbeschadet übersteht. Kern-Argument dieser Denkschule: Trump breche in der Russland-Affäre alle Attacken gegen ihn durch das Prisma seines historischen Wahlsieges. Lasse irgendwer, und seien es US-Geheimdienste, auch nur den Hauch eines Zweifels zu, dass sein Erfolg nicht „made by Trump“gewesen sein könnte, fühle sich der Präsident bei der Ehre gepackt und unterscheide nicht mehr „zwischen Freund und Feind“. Für diese Leidenschaft, fürchten Analysten, hätten viele seiner Wähler „mehr als Verständnis“.
Ändern könne sich dies allenfalls, wenn sich bewahrheiten sollte, dass Trump gar nicht anders konnte, als US-Interessen an Russland „zu verkaufen“, weil Moskau sensible Informationen (Geldgeschäfte) über ihn besitzt, die ihn Präsidentschaft und Freiheit kosten würden.
Auf die Frage eine US-Korrespondenten, ob er, Putin, belastendes Material gegen Trump besitze, kam vom russischen Präsidenten eine umständliche Erklärung. Es seien viele Wirtschaftsführer aus den USA in Russland gewesen, spielte Putin auf die Zeit an, als Trump 2013 in Moskau erfolglos auf ein Treffen mit Putin hoffte. Die russischen Geheimdienste hätten nicht das Personal und die Mittel, um jeden einzeln zu überwachen, erklärte der Kreml-Herrscher leutselig.
Ein echtes Dementi hört sich anders an. Washington. Ungeachtet des Persilscheins, den US-Präsident Donald Trump in Helsinki dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgestellt hat, gehen US-Strafverfolgungsbehörden gegen russische Staatsbürger vor, die sich mit unlauteren Methoden in die inner-amerikanische Politik einmischen. Kurz bevor die Staatschefs in Finnland konferierten, wurde in Washington auf Anweisung des Justizministeriums eine 29-jährige Russin wegen Verschwörung festgenommen. Sie soll laut FBIAkten versucht haben, über die einflussreiche Waffen-LobbyOrganisation National Rifle Association (NRA) illegale Gesprächskanäle („back channels“) zwischen Russland und der US-Regierung anzubahnen. Ziel sei es seit 2016 gewesen, in den „nationalen Entscheidungsapparat der Vereinigten Staaten einzudringen“und so die Anliegen „der russischen Regierung zu befördern“.
Maria Butina, bis zum Frühjahr Studentin an der America University in Washington, war bei ihrer nicht angemeldeten Agenten-Tätigkeit eng mit dem Vizechef der russischen Zentralbank verbunden, der als ihr Mentor und Ansprechpartner fungierte, so das FBI. Alexander Torschin, ein Putin-Vertrauter, gehört zu den Russen, gegen die das US-Finanzministerium finanzbewehrte Sanktionen verhängt hat. Fotos in sozialen Netzwerken und Internet-Kommunikation belegen laut FBI den engen Kontakt. In einem Fall riet Torschin der Frau, die in den USA eine Lobby-Gruppe mit dem Titel „Das Recht Waffen zu tragen“gegründet hatte, zu „Geduld, kaltem Blut und Selbstvertrauen“bei ihren Aktivitäten, die auf längere Sicht angelegt seien.
Butina erwarb sich laut FBI über teils hochrangige Kontakte mit führenden Vertretern der Republikaner und dem NRAChef-Strategen, Wayne LaPierre, das Vertrauen in politischen Zirkeln Washingtons. Ihr Anliegen: republikanische Kandidaten und Influencer zu unterstützen, die eine russlandfreundliche Haltung einnehmen.
Butinas Anwalt bestreitet die Vorwürfe. Seine Mandatin sei keine Agentin. Ob und wann Butina vor Gericht kommt, ist offen.
Ablehnung so umfassend wie noch nie „Russland ist nicht unser Freund.“