Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
„Ein Stück Verlässlichkeit ist weggebrochen“
Trumps Attacken auf Deutschland und Europa sorgen für Irritationen. Wie soll man damit umgehen? Wir fragten die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag
Berlin. Eine Woche reiste USPräsident Donald Trump durch Europa: Er brüskierte engste Verbündete Amerikas und hofierte zugleich Russlands Präsidenten Putin. Wie sollte man mit Trump nun umgehen? Unsere Redaktion fragte alle Fraktionschefs der im Bundestag vertretenen Parteien an. Diese Antworten erreichten uns.
Volker Kauder, Unionsfraktionschef: „Donald Trump ist nicht leicht im Umgang. Er agiert oft unberechenbar. Er wirft vieles über Bord, was in den Nachkriegsjahrzehnten für uns selbstverständlich geworden ist. Der nationale Vorteil ist ihm wichtiger als die Wertegemeinschaft, die wir diesseits und jenseits des Atlantiks bilden. Ein Stück Verlässlichkeit ist mit ihm weggebrochen. Diese Erkenntnis kann nur bedeuten, dass wir in Europa enger zusammenrücken müssen.“
Alexander Dobrindt, CSULandesgruppenchef: „Wenn Präsident Trump die Interessen der USA entschlossen formuliert, sollte das Anlass sein für uns, eine ebenso selbstbewusste Vertretung unserer Interessen und unserer Souveränität zu formulieren. Diesen Anspruch können wir nur dann vertreten, wenn wir bereit sind, das Notwendige zu tun und beispielsweise bei der Verteidigung deutlich mehr zu investieren.“
Christian Lindner, FDP: „Die Antwort auf Donald Trump muss ein Europa sein, das seine Interessen gemeinsam vertritt. Wenn er eine Sprache versteht, dann ist es die der Entschlossenheit. Zum Beispiel vermisse ich weitere Initiativen für eine Stärkung des Freihandels. Jahrelang wurde in Deutschland über TTIP gesprochen, als sei es Teufelszeug. Heute wären wir froh, wenn wir es hätten. Wir dürfen außerdem nicht vergessen: Trump ist nicht die USA.“ Sahra Wagenknecht, Die Linke: „Trump spaltet Europa, erklärt uns den Wirtschaftskrieg und nötigt uns zum Kauf von Waffen. Statt diese aggressive Politik zu kontern, steht die Bundesregierung da wie ein begossener Pudel. Statt Trump vor Deals mit Putin zu warnen, sollte Herr Maas lieber eigenständig die Initiative für eine neue Entspannungspolitik ergreifen. Wir brauchen eine selbstbewusste Außenpolitik, damit wir nicht in eine Aufrüstungsspirale und Kriege hineingezogen werden.“
Anton Hofreiter, Bündnis 90/ Die Grünen: „Wenn Trump als seriöser Verhandlungspartner ausfällt, sollte die deutsche Regierung einen Schulterschluss mit den fortschrittlichen USStaaten wie Kalifornien suchen und die Beziehungen zu ihnen ausbauen. Energiepolitisch darf Europa weder vom autoritären Russland noch von der immer unberechenbareren US-Administration abhängig bleiben. Das gelingt nur, wenn wir auf erneuerbare Energien setzen.“(gau)