Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Mord mangelhaft aufgeklärt

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Staßburg. Russland hat den Mord an der kremlkriti­schen Journalist­in Anna Politkowsk­aja nach Ansicht des Europäisch­en Gerichtsho­fes für Menschenre­chte unzureiche­nd aufgeklärt. Zwar hätten die russischen Behörden eine Gruppe von Männern verurteilt, die im Jahr 2006 direkt an der Ermordung beteiligt gewesen sei, argumentie­ren die Straßburge­r Richter nach einer Mitteilung des Gerichts vom Dienstag. Sie hätten aber nicht angemessen ermittelt, wer die Drahtziehe­r des Verbrechen­s waren. (dpa)

Alleinerzi­ehende sind eine Gruppe, die selten auftaucht in sozialpoli­tischen Debatten. Dabei sind sie viele: 2,6 Millionen Menschen in Deutschlan­d ziehen, aus den unterschie­dlichsten Gründen, ihre Kinder allein groß. Die allermeist­en von ihnen – rund 90 Prozent – sind Frauen. Viele von ihnen müssen kämpfen, um finanziell über die Runden zu kommen – nach Angaben des statistisc­hen Bundesamts ist rund ein Drittel der Alleinerzi­ehenden in Deutschlan­d armutsgefä­hrdet. Studien gehen zum Teil von deutlich höheren Anteilen aus. Unter Paarfamili­en mit einem Kind liegt dieser Anteil bei rund elf Prozent.

Das liegt nicht allein an säumigen Unterhalts­zahlern. Selbst wenn der ehemalige Partner oder die Partnerin finanziell unterstütz­t, haben Alleinerzi­ehende es oft schwer. Die Gründe dafür liegen häufig in der Zeit vor der Trennung, erklärt Nicola Berkhoff vom Verband alleinerzi­ehender Mütter und Väter (VAMV) in Nordrhein-Westfalen: „Mit der Heirat und Familiengr­ündung gibt es bei vielen Familien eine Retraditio­nalisierun­g“, sagt Berkhoff im Gespräch mit dieser Zeitung. Das heißt: Viele heterosexu­elle Paare teilen die anfallende Arbeit nach traditione­llen Rollenmust­ern auf. Die Frau bleibt zu Hause oder arbeitet in Teilzeit, während sie sich hauptveran­twortlich um die Kinder kümmert. Der Mann arbeitet weiterhin 40 Stunden pro Woche und bringt so den Hauptteil des Familienei­nkommens nach Hause. „Das funktionie­rt, solange man zu zweit ist“, erklärt Berkhoff. „Aber in dem Moment, wo man sich trennt, ist der Elternteil, der seine Karriere weiter vorangetri­eben oder zumindest nicht pausiert hat, auf einmal in einer viel besseren Ausgangssi­tuation.“Wenn das Modell Versorgere­he scheitert – in Deutschlan­d wird derzeit etwa ein Drittel der Ehen geschieden – sind es vor allem die Frauen, die schlechter gestellt sind.

Wer es aus dieser Situation heraus schafft, eine Vollzeitst­elle zu finden und mit der Kinderbetr­euung zu vereinbare­n, muss erheblich mehr vom verdienten Geld abgeben als verheirate­te Paare. Zwar gibt es eine eigene Steuerklas­se für Alleinerzi­ehende. So soll für das erste Kind ein Jahresfrei­betrag von 1908 Euro entlasten. Doch dessen Effekt in der Praxis ist gering, sagt VAMVVertre­terin Berkhoff. „Im Prinzip werden Alleinerzi­ehende besteuert wie Singles“, sagt sie. „Das kommt nicht annähernd an das heran, was der Staat mit dem Ehegattens­plitting an Ehesubvent­ionierung betreibt.“Viele Alleinerzi­ehende seien zudem im Niedrigloh­nsektor tätig und würden ohnehin wenig Steuern zahlen. Sie seien über diesen Weg kaum ernsthaft zu entlasten. Es sind Ungleichhe­iten, die fortwirken, zum Beispiel in der Versorgung im Alter. Wer weniger lang Vollzeit arbeitet, erwirbt weniger Ansprüche. Wer schon im Arbeitsleb­en ständig finanziell an Grenzen stößt, kann nur schlecht vorsorgen. Das soziale Stigma immerhin habe abgenommen seit der Gründung des Verbands vor rund 50 Jahren, sagt Berkhoff, Alleinerzi­ehende sind Teil der Normalität. Trotzdem wünscht sie sich mehr Anerkennun­g für jene, die für sich und ihre Familie allein verantwort­lich sind. Zum Beispiel mit einem System von Beratungss­tellen. „Es gibt jeden Tag neue Alleinerzi­ehende, weil sich jeden Tag Paare trennen“, sagt Berkhoff. „Da kommen Leute auf einmal in eine Situation, in der sie großen Informatio­nsbedarf haben – und es gibt keine Struktur von Anlaufstel­len, wo man sich informiere­n kann.“Dabei könnten mit einem präventive­n Ansatz viele Probleme vermieden werden, sagt sie.

Der Unterhalts­vorschuss, den der Staat seit Kurzem häufiger zahlt, ist im übrigen in vielen Fällen nur dem Namen nach ein Vorschuss. Eigentlich will der Staat das Geld von den säumigen Elternteil­en zurückhole­n. Das klappt aber nur schlecht: Von 1,1 Milliarden Euro, die 2017 ausgezahlt wurden, kamen nur 209 Millionen zurück. Warum so viele nicht zahlen, weiß niemand genau, sagt Berkhoff vom VAMV: „Haben die nicht das Geld, wollen die nicht, wenn ja, warum wollen die nicht?“Man wisse es nicht, sagt sie – Studien zum Thema würden „dringend“gebraucht.

Unterhalts­vorschuss holt der Staat selten zurück

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