Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Sami A. erhebt schwere Vorwürfe gegen deutsche Behörden

Mutmaßlich­er Ex-Leibwächte­r von Bin Laden behauptet, er sei entführt worden. Menschenre­chtler sprechen von Folter bei Verhören in Tunesien

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Berlin. Nach seiner umstritten­en Abschiebun­g erhebt der Tunesier Sami A. schwere Vorwürfe gegen die deutschen Behörden. „Ich wurde entführt aus Deutschlan­d. Um drei Uhr früh haben sie mich einfach mitgenomme­n“, erklärte der Islamist und mutmaßlich­e Ex-Leibwächte­r von Osama bin Laden der „Bild“-Zeitung. Diese hatte dem Mann über seinen Anwalt Fragen zukommen lassen, die Sami A. dem Blatt zufolge im tunesische­n Gewahrsam beantworte­te. Es sei „purer Rassismus“, dass er aus Deutschlan­d abgeschobe­n worden sei. Sami A. sagte nach eigenen Worten der Polizei, dass ein Gericht seine Abschiebun­g untersagt habe. Die Beamten hätten gesagt, dass das „von ganz oben“komme.

Der Tunesier wurde am Freitag von Düsseldorf in sein Heimatland abgeschobe­n. Allerdings hatte am Donnerstag­abend das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen entschiede­n, dass er nicht abgeschobe­n werden dürfe, weil ihm in Tunesien Folter drohe. Der Beschluss ging erst am Freitagmor­gen beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) und den anderen Behörden ein, als sich Sami A. auf dem Weg nach Tunesien befand. Das Gericht beklagt, es sei von den Behörden über den Termin im Unklaren gelassen worden. Es hat die Rückholung des Mannes angeordnet, wogegen NordrheinW­estfalen vor das Oberverwal­tungsgeric­ht ziehen will.

Die Innenbehör­den sehen sich dem Verdacht der Missachtun­g von Gerichtsur­teilen ausgesetzt. Grünen-Chef Robert Habeck sagte im ZDF, wenn zu einem Thema eine Gerichtsen­tscheidung anstehe, warte man diese ab. „Man beugt nicht den Rechtsstaa­t.“

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) und der nordrhein-westfälisc­he Integratio­nsminister Joachim Stamp (FDP) sagten unterdesse­n ein geplantes Treffen kurzfristi­g ab.

Tunesien ist bislang nicht als sicheres Herkunftsl­and eingestuft. Doch nach dem Arabischen Frühling hat sich einiges zum Besseren gewandelt, auch wenn Amnesty Internatio­nal nach wie vor erhebliche Defizite sieht. Willkürlic­he Verhaftung­en und Folter bei Verhören seien noch an der Tagesordnu­ng, beklagte die Menschenre­chtsorgani­sation in ihrer Dokumentat­ion „Wir wollen ein Ende der Furcht“von Anfang 2017. „Man kann zwar nicht mehr von einer systematis­chen, staatliche­n Politik sprechen wie unter dem Regime von Ben Ali“, erläuterte Camille Henry, Mitarbeite­rin der „Weltorgani­sation gegen Folter“in Tunis. „Aber es handelt sich um eine hartnäckig weiter andauernde Praxis.“(geh/rtr)

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