Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
Der andere Miró
Die neue Ausstellung im Kunsthaus Apolda eröffnet überraschende Sichten auf den großen Künstler der Moderne
mal gesehen zu haben. Klar soweit, der heitere, der ironische, der unbekümmerte Miró.
Ein verzerrtes Bild, das ist alles. Dass sich hinter der populären Poster-Seite seiner Kunst noch ein ganz anderer Miró verbirgt, ahnt man kaum. Dabei: Es gibt auch den zweifelnden, den einzelgängerischen Miró. Den politischen Miró, der für die Schrecken des spanischen Bürgerkrieges, die Diktatur der FrancoGeneräle und später die drohende atomare Macht dämonische Metaphern fand. Der am Zustand der Welt litt und zuweilen auch an sich selbst. Der von sich sagte, er empfinde das Leben als absurd, der sich einen Pessimisten nannte.
Der andere Miró. Der nicht nur an großen Leinwänden arbeitete, sondern auch leidenschaftlicher Grafiker war. Er hinterließ mehr als 1300 Radierungen und mehr als 1200 Lithographien. Die Kölner Galerie „Boisserée“hat eine Sammlung zusammengetragen, aus der ihr Geschäftsführer Johannes Schilling diese Schau für Apolda kuratiert hat. Einen Katalog gibt es auch, der ist allein schon wegen des Textes von Miró-Kenner Norbert Nobis zu empfehlen, der einige Sehhilfen anbietet.
Mehr als 70 Werke sind im Kunsthaus zu sehen. Arbeiten auf Papier, Druckgrafiken, Bilder zur Lyrik von Dichterfreunden. Man hoffe, so der Kurator, den Künstler mit dieser Ausstellung ein wenig aus seiner Schublade zu befreien. Man hoffe zu zeigen, wie differenziert seine Handschrift war und sein Blick auf die Welt auch. Da ist „Die Badende“, die sich scheinbar sorglos, in der Sonne tummelt. Wenn da nicht die Haifischflossen wären, die hinter der Ahnungslosen aus den Fluten aufblitzen. Auch diese Arbeit entstand 1938, als in den Grausamkeiten des Bürgerkrieges schon Francos Diktatur heraufdämmerte. Aus Nachkriegsjahren sind Arbeiten wie „Frau mit Schmuck“oder „Der schwarze Verbrannte“vertreten. Monsterhafte Fratzen, tiefschwarz, schauen auf den Betrachter herab, der „Nächtliche Barbar“streift durch schwarze Finsternis. „Immer denke ich, dass alles ganz schlimm ausgehen wird...“, hatte Miró einmal ahnungsvoll gesagt. Es gibt kaum etwas wirklich Fassbares, Eindeutiges schon gar nicht. Chiffren, Bruchstücke, die sich zu Bildern fügen, wie sie nur nächtliche Träume schaffen können. Eine Parallelwelt, bevölkert von wundersamen Wesen und Gestirnen. Ähnlich wie bei der Lyrik seiner surrealistischen Dichterfreunde, zu der Miró zahlreiche Arbeiten schuf. Auch in diese Facette seines Schaffens gibt es Einblicke in Apolda.
Die Nähe zur Poesie begleitete Miró ein Leben lang. Er sah eine enge Verwandtschaft zwischen Dichtung und Bild, weil die wahre emotionale Kraft im Assoziativen liegt.
Es gibt in dieser Ausstellung natürlich auch den heiteren, farbenfröhlichen Miró. „Die lästernde Eule“zum Beispiel. Fast fühlt man sich beim Betrachten der Bilderrätsel von ihren Brillenaugen verfolgt und will lieber nicht wissen, was sie dabei denkt.