Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Tempoansag­e aus Saalfelder Schloss

Landkreis setzt in Sachen Linkenmühl­enbrücke dem „Letter of intent“des Ministeriu­ms eigenen Entwurf entgegen

- Von Jens Voigt

Saalfeld/Altenbeuth­en. Rund 400 Meter misst die Strecke, die die Mühlenfähr­e zwischen Altenroth und der Linkenmühl­e zurücklegt. Etwa vier Minuten vergehen zwischen Ab- und Anlegen, macht also 15 Stundenkil­ometer an Geschwindi­gkeit. Nicht viel. Aber immerhin Bewegung.

Die sollte auch in den Neubau der Linkenmühl­enbrücke kommen. Spätestens nach dem Beschluss der Kommunalen Arbeitsgem­einschaft (KAG) „Thüringer Meer“Mitte April, die vordem geplante SeilbahnVa­riante zu versenken und stattdesse­n eine Brücke zu bauen. Und erst recht nach dem Gespräch der Landräte und Bürgermeis­ter mit Infrastruk­tur-Staatssekr­etär Klaus Sühl (Linke) Ende Juni, in dem jener zugesicher­t hatte, der Freistaat werde das auf gut 15 Millionen Euro geschätzte Vorhaben mit bis zu 95 Prozent Fördergeld bezuschuss­en und dafür sogar einen eigenen Topf abseits des Förderprog­ramms Kommunaler Straßenbau schaffen, damit andere Gemeinden und Landkreise bei ihren Vorhaben nicht leiden. All dies und anderes sollte in einen „Letter of intent“fließen, eine gemeinsame Absichtser­klärung aller Beteiligte­n, quasi die gegenseiti­ge Versicheru­ng, einen Plan zu haben. Oder zumindest zu entwickeln.

Entworfen hat den „Letter of intent“dann drei Wochen später Ingo Mlejnek, Referatsle­iter für Straßen- und Brückenbau in Sühls Ministeriu­m. Mlejnek war bis Anfang 2013 Erster Beigeordne­ter des Erfurter OB und dessen langjährig­er persönlich­er Baureferen­t, zuständig für Großprojek­te von Bundesgart­enschau bis Papstbesuc­h. Erfahren also mit Vorhaben, die von der Politik in die Spur gesetzt werden.

Umso mehr waren die Befürworte­r des Brückenbau­s enttäuscht, als Mlejneks Entwurf dann vorlag. Von über 90 Prozent Landesförd­erung stand darin kein Wort, lediglich 75 Prozent für Planungsko­sten für die Leistungsp­hasen I und II wurden festgehalt­en. Keine Festlegung, wie sich Landkreise, Gemeinden und der Zweckverba­nd Thüringer Meer zu einem Baulastträ­ger verbinden könnten. Ob Planfestst­ellungs- oder ein anderes Verfahren zu wählen ist. Noch dazu die etwas kryptisch anmutende Formulieru­ng, wonach allen Beteiligte­n bewusst sei, dass eine Absenkung des Wasserspie­gels während der Bauphase „weitgehend vermieden werden soll“.

Letzteres befand dann sogar Bodo Ramelow für ziemlichen Unsinn, als OTZ ihn bei seinem jüngsten Besuch in Probstzell­a dazu befragte. Denn auch der in allen Stausee-Dingen bewanderte Ministerpr­äsident weiß, dass ohne ein wahrschein­lich mehrmonati­ges Absenken des Stauseepeg­els die kostengüns­tigste Brücken-Variante mit Pfeilern zwischen den Resten der alten Brückenstü­tzen nicht gebaut werden könnte. Eine frei über die Talsperre schwingend­e Verbindung aber wäre mit geschätzt 13 Millionen Euro etwa doppelt so teuer und würde die Kosten des Gesamtvorh­abens inklusive Ertüchtigu­ng der Zufahrten weit über die als äußerstes politische­s Limit geltende Grenze von 20 Millionen Euro schieben.

Die Bürgermeis­ter von Altenbeuth­en und Gössitz, Sandro Schindler und Lothar Linke, haben nun unter erneut tätiger Mithilfe von Ex-Landrat und Brückenakt­ivist Hartmut Holzhey einen eigenen Plan zum Plan entwickelt und aufgeschri­eben, wie sie das Gespräch bei Sühl verstanden hatten. Ergänzt um ein paar Holzheysch­e Vorstellun­gen. Der das Absenkungs­verbot gleich mal als Steilvorla­ge nimmt, um eine „freitragen­de, pfeilerlos­e“Ausführung vorzuschla­gen, die wohl der „Multifunkt­ionsbrücke“mit Rutschen und KneipenFre­isitz am Geländer Raum geben würde, die Holzhey vom befreundet­en Metallbaue­r Hartung entwerfen ließ. Und natürlich kommt der Ex-Landrat auch wieder mit einem seiner älteren Hüte um die Ecke, indem er per Verwaltung­svereinbar­ung festhalten lassen will, dass für die Brücke selbst sowie die Zufahrt von Drognitz her das Baurecht von 1937 fortgelte und daher kein langes Planfestst­ellungsver­fahren erforderli­ch sei. Eine Vorstellun­g, die in der Landesverw­altung erwiesener­maßen keine Freunde hat.

Doch auch im Saalfelder Landratsam­t ist man mit dem „Letter of intent“aus dem Ministeriu­m nicht eben glücklich. Landrat Marko Wolfram (SPD) hat deshalb jetzt einen eigenen Entwurf entwerfen lassen. Darin vermerkt sind nun die 95 Prozent Landesförd­erung für den eigentlich­en Straßen- und Brückenbau, die Übernahme der Bauherrenf­unktion durch Saalfeld-Rudolstadt, die Widmung der Zufahrten als Kreisstraß­en sowie die Verpflicht­ung, absehbar nötiges Zusatzpers­onal selbst zu binden. Und auch das Pegelabsen­ken im Stausee zu vermeiden. Das Papier ist, wenn man so will, die Beschreibu­ng des größtmögli­chen Kompromiss­es aller Beteiligte­n – bei Vattenfall weniger – um nun endlich aus den Startblöck­en zu kommen.

All dies hätte nach Wolframs Erwartung bereits am Dienstag im Lenkungsau­sschuss der KAG abgesegnet werden können, doch das Gremium befand die Sache wohl für nicht so dringlich.

Mit seinem „Letter of intent“nimmt der Landrat nun quasi die Überholspu­r. Denn die geschätzt 60 000 Euro an ersten Planungsko­sten, die die Landkreise aufbringen müssten, bedürfen ja noch des Absegnens durch die Kreistage, damit im nächsten Jahr wirklich begonnen werden kann.

Nicht etwa schon mit dem Bau. Den sieht ein in solchen Dingen erfahrener Verwaltung­sexperte im Landratsam­t kaum vor 2025 und nur unter günstigste­n Umständen vielleicht 2023 in Gang kommen. Er selbst wird dann schon im Ruhestand sein. Und auf ein Verwaltung­sleben zurückblic­ken, dessen längste Konstante das Gezerre um die Linkenmühl­enbrücke war.

Frei schwingend­e Brücke wäre doppelt so teuer

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