Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
Riskantes Unwissen in Gesundheitsfragen
Viele Patienten können Informationen aus Beipackzetteln oder Arztgesprächen nicht korrekt einordnen
Vor einem halben Jahr wurde der von Prof. Doris Schaeffer initiierte „Nationale Aktionsplan Gesundheitskompetenz“(NAP) vorgestellt, ein wissenschaftlicher Leitfaden zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz in Deutschland. Ein Expertenkreis aus Wissenschaftlern und Praktikern entwickelte Empfehlungen, wie etwa durch Veränderungen im Bildungssystem oder in Gesundheitseinrichtungen die Menschen lernen können, besser mit ihrer Gesundheit umzugehen.
Wiederholen können, was der Arzt gesagt hat
So könnte in die Lehrpläne der Schulen der Umgang mit Gesundheitsinformationen integriert werden: Was steht drin, wie vertrauensvoll ist die Quelle und was bedeutet das jetzt für mich? Im Medizinstudium soll die Arzt-Patienten-Kommunikation künftig einen größeren Raum einnehmen.
„Wir empfehlen außerdem, in Arztpraxen die sogenannte Teach-Back-Methode einzuführen“, sagt Prof. Klaus Hurrelmann von der Hertie School of Governance in Berlin und Mitglied im NAP-Expertenbeirat. Dabei erklärt der Arzt dem Patienten, welche Krankheit er hat oder wie das weitere Vorgehen aussieht. Dann wird der Patient aufgefordert, das soeben Gehörte zu wiederholen.
Die Ärzteschaft öffne sich für das Thema Gesundheitskompetenz, erzählt Hurrelmann. „Das heißt nicht, dass die Mehrheit der Mediziner schon heute eine andere Art der Kommunikation anwendet, aber das Problem ist erkannt.“Anders als früher werde der Arzt von vielen heute nicht mehr als absolute Autorität angesehen. „Die Patienten wollen einbezogen werden oder sogar auf Augenhöhe mit dem Arzt treten.“Das bestätigt Susanne Jordan vom RKI. „Früher hat der Arzt für uns entschieden. Heute nimmt das gemeinsame Entscheiden eine größere Rolle ein.“
Dieser Anspruch der Patienten hat auch mit der Verfügbarkeit von Informationen zu tun. Wer sucht, der findet im Internet. „Zurzeit stehen uns unermesslich viele Informationen zur Verfügung“, sagt Hurrelmann. Doch bislang sei jeder auf sich selbst angewiesen, sie einzuordnen. „Wenn ich aber nicht in der Lage bin, mich gut zu informieren, schade ich meiner Gesundheit“, sagt Marie-Luise Dierks.
Die Professorin ist Gründerin von Deutschlands erster Patientenuniversität (www.patientenuniversitaet.de), einer unabhängigen Bildungseinrichtung. Nicht nur interessierte Laien, auch Ärzte, Medizinstudenten und Pflegeschüler kommen an die Universität. Noch finden die meisten Veranstaltungen in Hannover statt, aber „ich träume von einer Patientenuniversität in jedem Bundesland“, sagt Dierks. „Eine Option wären außerdem virtuelle Vorträge, in die sich Interessierte online einschalten könnten.“
Das Bewusstsein für die Notwendigkeit fundierter Angebote wächst. So hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums ein Konzept für ein Gesundheitsportal entwickelt. Bis zum Start empfiehlt Hurrelmann Internetseiten, die „über jeden Zweifel erhaben sind“.