Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
Rasches Handeln bei Geburt erforderlich
Zum Beitrag „Schlimme Erfahrungen im Kreißsaal“(OTZ, 23.7.2018).
Nach 42-jähriger Berufserfahrung als Geburtshelfer, der Begleitung von mehreren Tausend Geburten und einem Abstand von 18 Jahren zum aktuellen Geschehen möchte ich versuchen, etwas Sachlichkeit in die Diskussion zu bringen.
Tenor und Gemengelage haben sich in den letzten 20 Jahren nicht verändert, insofern sind die geschilderten Vorgänge kein Ausdruck aktueller berufspolitischer Entwicklungen. Es ist eine Mischung aus fehlender Empathie, hoher Sensibilisierung der Kreißenden, Symbolisierung bis Mystifizierung der Geburtsvorgänge und fehlendem medizinischen Sachverstand der betreffenden Journalisten.
Selbstverständlich hat jede Gebärende in ihrer psychologischen Extremsituation – eine solche ist jede Geburt — Anspruch auf ein Höchstmaß an Zuwendung, Einfühlungsvermögen und beruhigender Einwirkung. Leider fällt dies in der Praxis etwas unterschiedlich aus. Es ist aber nicht möglich, alle Mitarbeiter nach ihrer angeborenen Empathiefähigkeit zu testen. Nach meiner langjährigen Erfahrung ist aber gerade bei Hebammen die Erfolgsquote am höchsten. Ohne die obigen Kriterien mit Leidenschaft auszufüllen, ist eine Geburtsleitung gar nicht möglich.
Was Symbolisierung der Geburt betrifft, sind die Einwirkungen medialer und persönlicher Art so unterschiedlich und unüberschaubar, dass kaum eine Wandlung zu erwarten ist.
Die im Artikel geschilderten Verläufe mit sogenannten „Sternenkindern“ sind keine liebenswerten Launen der Natur, sondern regelwidrige Geburtslagen, die Schwierigkeiten bei der Entwicklung des kindlichen Köpfchens machen können. Geburtshilfliche Maßnahmen wie Saugglocke, Zange oder in leichteren Fällen auch „Kristellern“gehören hierbei zum Rüstzeug.
Es ist wenig bekannt, dass jede Geburt die risikoreichste Phase im Leben des Menschen ist. Dass trotzdem zumeist alles gut verläuft, verdanken wir der Kunst der Hebammen, Ärzte und den Fortschritten der Geburtsmedizin. Trotzdem kann sich unter der Geburt sekündlich die Situation ändern, sodass rasches Handeln erforderlich wird. Kurze Anordnungen – selbstverständlich fachlich begründend – sind dabei notwendig. Diskussionen könnten fatale Folgen haben. Es wird immer eine schwierige Symbiose zwischen Mutter, Kind und Geburtshelfer bleiben, aber eine lohnende.
Wenn es also Gründe für die im Artikel genannten Vorgänge gibt, dann bestimmt nicht mangelnde Zeit oder fehlendes Personal. (gekürzt)
Lothar Diener,
Gera