Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
„Wir sind kein Goliath“
Telekom-Chef Timotheus Höttges über Funklöcher, das neue G-Netz und ein milliardenschweres Angebot an die Konkurrenz
Berlin. Mehr als eine Stunde lang schaut Timotheus Höttges nicht auf sein Handy – so lange dauert das Interview mit dem Telekom-Chef. Was ihm Sorge bereitet, sind die Bedingungen, zu denen das neue Mobilfunknetz 5G kommen wird. Hier macht Höttges einen überraschenden Vorschlag.
Herr Höttges, wann und wo haben Sie das letzte Mal im Funkloch gesteckt?
Vor zwei Wochen auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen. Das darf natürlich nicht passieren. Das Netz mit den verschiedenen Standards 2G, 3G, 4G ist komplexer geworden und die Antennen in den Smartphones schlechter. Wir arbeiten aber mit Nachdruck am besten Netz.
Es gibt Gegenden, in denen das Handy anzeigt: „kein Netz“… Es geht in unserer mobilen Gesellschaft nicht, dass bestimmte Gebiete nicht mit Mobilfunk versorgt sind. Aber manchmal ist das schwierig. Unser Anspruch ist es, diese Lücken schnell zu schließen. Vorrang haben die Gebiete, in denen viele Menschen leben, arbeiten und unterwegs sind.
Wann gibt es keine Funklöcher mehr?
In drei Jahren wollen wir mehr als 99 Prozent der Bevölkerung mit schnellem 4G-Mobilfunk versorgt haben. Wir bauen jedes Jahr 2000 neue AntennenStandorte auf. Die Telekom bietet schon jetzt die beste Versorgung. Andere Anbieter konzentrieren sich nur auf Städte, weil sich das mehr lohnt.
Bald werden die Frequenzen für das superschnelle 5G-Mobilfunknetz versteigert. Was kann 5G?
Das Netz wird dichter, schneller, verlässlicher und kann viel mehr Geräte pro Funkzelle aufnehmen. Die vielen vernetzten Geräte haben also immer Netz. Und es ist so schnell wie das Gehirn. Wenn Sie ein Videospiel auf dem Handy spielen, reagieren die Figuren auf dem Bildschirm so schnell wie Sie in der Realität. Für die Industrie bedeutet 5G zum Beispiel, dass große Anlagen miteinander kommunizieren. Auch selbst fahrende Autos können mehr Informationen auf einmal verarbeiten und damit auf den Verkehr reagieren.
Gibt es zu wenig Wettbewerb beim Mobilfunk? Der Präsident des Bundeskartellamts sagt: „Eine vierte Kraft auf dem Mobilfunkmarkt wäre wünschenswert“. Damit meint er das Unternehmen 1&1, das möglicherweise für den 5GMobilfunk mitbieten will.
Von Aldi bis Tchibo: Überall bekommen Sie Mobilfunk. Es gibt nicht zu wenig Wettbewerb. Aber nur wenige Anbieter sind bereit, eigene Netze zu bauen. Ich habe prinzipiell nichts gegen weitere Netze in Deutschland. Nur: Bei der Auktion für den 5G-Standard muss jeder Bieter gleichberechtigt sein. Jeder, der an der Auktion teilnimmt, muss sein eigenes Netz aufbauen. Die T-Mobile US wird oft als leuchtendes Beispiel genannt. Machen wir es wie da! Wir haben in den USA Frequenzen ersteigert, 40 Milliarden Euro in ein eigenes Netz investiert und gewinnen seitdem ununterbrochen Kunden hinzu. Alles ohne regulierte Privilegien in einem fairen Wettbewerb.
Warum könnte es unfair zugehen, wenn die 5G-Frequenzen versteigert werden? 1&1 will wohl nur unter einer Bedingung um die 5G-Frequenzen mitbieten: Das Unternehmen will auf die Netze der drei großen Netzbetreiber zugreifen können. Mit anderen Worten: Die Telekom und die beiden anderen sollen die Antennen aufstellen und Milliarden von Euro in die Infrastruktur investieren. 1&1 will sich dann in dieses Netz einmieten – und das zu sehr niedrigen Preisen. Das ist unfairer Wettbewerb. Das ist so, als ob Sie ein Haus bauen, eine Etage an einen Konkurrenten vermieten müssen und das zu einem Preis, der Ihre Kosten nicht deckt. Würden Sie dieses Haus bauen?
Wieso müssen Sie zu einem zu niedrigen Preis vermieten? 1&1 lebt nicht von eigenen Netzen, sondern davon, von der Regulierungsbehörde niedrige Konditionen zu Anmietung unserer Netze zu fordern. Und jetzt will es diese Rahmenbindungen, die bei der Privatisierung des ehemaligen Festnetzmonopols erforderlich waren, auch auf den Mobilfunk von heute übertragen. Das ist absurd. Neue Netze kann doch jeder selbst bauen. Übrigens auch Glasfaser. Wir sind mit 40 Prozent Marktanteil kein Goliath, und 1&1 ist kein David. Die sind mehr wert als Porsche, haben aber bislang kein einziges Kabel selbst verlegt und keinen einzigen Funkmast aufgestellt.
Was soll also passieren?
Wem Deutschland wichtig ist, der nimmt den Spaten in die Hand. Die Regulierung des Telekommunikationsmarktes passt nicht mehr zum heutigen Geschäft. Es sollte mehr und nicht weniger Anreize geben, flächendeckend in den Ausbau von Mobilfunk und Glasfaserkabeln zu investieren. Ich biete 1&1 verbindlich an, dass wir ab sofort gemeinsam Glasfaserkabel verlegen und bundesweit mehr als fünf Millionen Haushalte an das schnelle Breitbandnetz anschließen.
Wo genau soll das geschehen? Ich biete an, bis zu 2,5 Millionen Haushalten in Berlin und Potsdam das Glasfaserkabel an der Haustür anzuschließen. Im Ruhrgebiet könnten es ebenfalls bis zu 2,5 Millionen Haushalte sein. In Thüringen könnten wir gemeinsam 350 000 Haushalte in Erfurt, Jena, Weimar und Eisenach mit Glasfaserkabel ausbauen. Die Kosten, die vor allem durch den Tiefbau entstehen, würden wir uns zur Hälfte teilen. 1&1 soll beweisen, dass sie bereit sind, in Infrastruktur zu investieren.