Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Bundeskanzlerin erwartet keine weiteren EU-Austritte
Bei der Feier zum Jubiläum der Römischen Verträge am Samstag dürften Eklats ausbleiben. Polen und Griechen wollen Erklärung unterzeichnen
Berlin/Rom. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet nach der Brexit-Entscheidung der Großbritanniens keine weiteren EU-Austritte. Der Weg der Europäischen Union führe in Richtung mehr Zusammenarbeit, sagte sie. Auch andere Politiker und Experten zeigten sich vor dem EU-Jubiläumsgipfel optimistisch.
Am Samstag feiern 27 EUStaatsund Regierungschefs in Rom die Unterzeichnung der Römischen Verträge vor 60 Jahren, die zur Grundlage für die Europäische Union wurden. Nach Expertenmeinung werden alle Teilnehmerstaaten eine gemeinsame Erklärung verabschieden – auch Polen, das beim vergangenen Gipfel mit seiner Blockadehaltung bei der Wiederwahl Donald Tusks als EURatspräsident für einen Eklat gesorgt hatte.
Merkel betonte kurz vor dem Treffen die wichtige Rolle der EU bei der Bewältigung von künftigen Herausforderungen: „Einzelne Mitgliedsstaaten haben natürlich unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie wir die Zukunft gestalten, aber der Weg insgesamt ist klar: Mehr Zusammenarbeit“– unter anderem bei der Verteidigungspolitik, beim Schutz der Außengrenzen, bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“und dem „Donaukurier“.
Auch die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite fürchtet kein Auseinanderdriften der EU: „Bereits seit 60 Jahren ist Europa ungeachtet der Schwierigkeiten, mit denen es konfrontiert war, immer in der Lage gewesen, eine Lösung und Kompromisse zu finden, um sie zu bewältigen“, sagte die ehemalige EU-Haushaltskommissarin. Der Brexit werde kaum Auswirkungen auf die Substanz der EU haben, so Grybauskaite.
Die Feierstimmung beim nun anstehenden Jubiläumsgipfel wird auch Polen nach Expertenmeinung nicht trüben. Die polnische Regierung hatte zwar angedroht, die gemeinsame Erklärung der EU-Mitgliedstaaten zum Abschluss des Gipfels nicht zu unterzeichnen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Das Dokument werde nun aber bewusst vage gehalten, sagte Lukasz Ogrodnik vom Warschauer Institut für Internationale Beziehungen (PISM). „Damit es nicht dazu kommt, dass einige Länder die Erklärung nicht unterschreiben.“
Polens Regierungschefin Beata Szydlo wird derweil auch im eigenen Land für ihre Drohungen kritisiert. Der frühere polnische Präsident Aleksander Kwasniewski sagte am Freitag dem Sender Tok FM: „Wir sind zu einem Unruhestifter geworden, der Scherereien macht.“Er befürchte, dass die EU-Erweiterung von 2004 bald von EU-Politikern als „kolossaler Fehler“gesehen werde.
Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras sagte vor dem Treffen zu, das Abschlussdokument mitzutragen. Griechische Politiker hatten zuvor gefordert, Tsipras dürfe die „Agenda von Rom“nicht billigen. Ihre Begründung: Die internationalen Gläubiger verlangten von Griechenland eine umfassende Liberalisierung des Arbeitsmarktes. (dpa)