Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Von Baisertort­e bis zur ZPR

Wie der Saale-Orla-Kreis im Online-Mitmachlex­ikon Wikipedia mit Einträgen vertreten ist – Zehn Stichprobe­n

- Von Peter Cissek

Schleiz. Wenn man noch vor einigen Jahren einen Begriff erklärt haben wollte, hat man im Lexikon gesucht. Viele Familien hatten so ein Nachschlag­ewerk bestehend aus mehreren Bänden zuhause. Doch inzwischen bleiben diese recht preisinten­siven, im Wohnzimmer-Schrank nach Alphabet abgestellt­en Bücher meist unangerühr­t.

Denn die notwendige Informatio­n ist im Online-Mitmachlex­ikon namens Wikipedia zwar nicht unbedingt wissenscha­ftlich fundiert, aber schneller zu finden. Außerdem ist sie meist ausführlic­her als in Buchform, mit Internetli­nks versehen sowie gratis verfügbar.

So haben sich bereits diverse Leute die Mühe gemacht und alle Orte des Saale-Orla-Kreises eingetrage­n. Dazu findet man Angaben zur geografisc­hen Lage, Geologie, Gemeindegl­iederung, Geschichte, Einwohnerz­ahlenentwi­cklung, zu Sehenswürd­igkeiten und der Parteizuge­hörigkeit des Bürgermeis­ters.

Welche mitunter wichtigen Begriffe mit Bezug zu Orten im Saale-Orla bei Wikipedia zu finden sind und welche nicht: Wir machten zehn Stichprobe­n. B aisertorte oder wenigstens Baiser (französisc­h für „Kuss“, sprich „Besee“) ist enthalten, aber ohne Bezug auf Schleiz. Dabei soll ein Rezept für das Schaumgebä­ck aus gezuckerte­m Eischnee aus dem 1777 von Johann Jacob Riedel gegründete­n Café Ried‘l stammen, das vermutlich das zweitältes­te Kaffeehaus Deutschlan­ds ist. Doch auch dazu fehlt ein Eintrag. Für die Stadt Schleiz gehört die Baisertort­e so sehr zur Identität, das sie das Rezept am liebsten mit anderen Zeitdokume­nten in der Kapsel für die Nachwelt hinterlass­en wollte, als diese im August 2016 mit dem vergoldete­n Turmknopf auf die Bergkirche aufgesetzt wurde. Doch sowohl das Café Ried‘l als auch die Schleizer Landbäcker­ei wollten ihre Hausrezept­e nicht rausrücken, wie Bürgermeis­ter Juergen K. Klimpke damals sagte. C ranach-Altar: Wer Angaben zum Altar von Lucas Cranach dem Älteren, dem touristisc­hen Alleinstel­lungsmerkm­al der Stadt Neustadt an der Orla, finden will, muss erst nach dem bedeutends­ten deutschen Maler und Grafiker der Renaissanc­e suchen. Unter der Auswahl seiner Werke findet man auch den Flügelalta­r „Neustädter Altar“aus dem Jahr 1512/13, neben dem es einen Link zur Stadtkirch­e St. Johannis mit ausreichen­d Angaben gibt. Zur Stadtkirch­e und anderen Sehenswürd­igkeiten wie den mittelalte­rlichen Fleischbän­ken kommt man auch vom Wikipedia-Eintrag „Neustadt an der Orla“. M ödlareuth, das 50-Seelen-Dorf, das zur Hälfte in Thüringen und Bayern liegt, bis zum Mauerfall durch die innerdeuts­che Grenze getrennt war und deshalb den Spitznamen Little Berlin trug, ist wie alle anderen Orte mit detaillier­ten Angaben zur Geschichte zu finden. Es gibt auch einen Link zum Freilichtm­useum Mödlareuth mit den erhaltenen Grenzanlag­en sowie zum dreiteilig­en Tannbach-Film des ZDF, dessen Geschichte hier spielt, aber anderswo gedreht wurde. O rla, den 35 Kilometer langen Fluss, der im Doppelname­n des Landkreise­s zu finden ist, gibt es als Eintrag. Dazu auch Angaben zur Verbesseru­ng der Gewässergü­te. P lothener Teiche sind als Eintrag zu finden. Der Leser erfährt, dass die ersten Teiche im Mittelalte­r von Mönchen angelegt und im Laufe der Zeit viele kleinere Teiche zu größeren zusammenge­legt wurden. Es gibt auch Verlinkung­en zu den Vogelsarte­n, die sich in dem Naturschut­zgebiet aufhalten. R otasym, der zu DDR-Zeiten mit 1400 Beschäftig­ten größte Arbeitgebe­r in Pößneck, hat keinen eigenen Eintrag. Das inzwischen abgerissen­e Wälzlagerw­erk, das über Jahrzehnte das Stadtbild prägte, ist nicht mehr als eine Randnotiz unter dem Eintrag Schaeffler­Gruppe. So ist zu erfahren, dass die zur Unternehme­nsgruppe gehörende FAG (Fischers Automatisc­he Gussstahlk­ugelfabrik), auch Kugelfisch­er genannt, 1991 von der Treuhandan­stalt das Rotasym-Werk kaufte und kurz darauf schloss. S aale, der mit 413 Kilometern nach der Moldau zweitlängs­te Nebenfluss der Elbe, ist sehr ausführlic­h vorgestell­t. Über die Bedeutung des Thüringer Meeres für den Tourismus erfährt man mehr auf den gesonderte­n Einträgen Bleilochta­lsperre und Hohenwarte-Stausee. S chleizer Dreieck, die älteste Naturrenns­trecke Deutschlan­ds, ist zu finden. Am 10. Juni 1923 fand das erste Rennen auf der dem natürliche­n Straßenver­lauf folgenden Piste statt. Doch gemessen an der Bedeutung könnte der Eintrag ausführlic­her sein. T hüringer Meer, wer diesen Begriff sucht, wird automatisc­h zum Hohenwarte­Stausee weitergele­itet, nicht aber auch zur Bleilochta­lsperre. Z PR, wer dieses Kürzel eingibt, gelangt aus einer Auswahl von fünf Begriffen auch zur Zellstoff- und Papierfabr­ik Rosenthal in Blankenste­in. Wem die Angaben zur Geschichte, Technik und Bioenergie des 445 Mitarbeite­r zählenden, holzverarb­eitenden Unternehme­ns nicht ausreichen­d sind, der kommt über die Verlinkung auch auf die Unternehme­nswebseite. Wer selbst Beiträge auf Wikipedia schreiben oder ergänzen will, erhält Infos zum Mitmachen unter www.wikipedia.de/machmit

 ??  ?? Margit und Rainer Kosicik schlagen in einem Band des Brockhaus-Lexikons nach. Inzwischen informiere­n sich viele online im Mitmachlex­ikon Wikipedia, wenn sie Erläuterun­gen zu einem Begriff suchen. Archivfoto: Peter Michaelis
Margit und Rainer Kosicik schlagen in einem Band des Brockhaus-Lexikons nach. Inzwischen informiere­n sich viele online im Mitmachlex­ikon Wikipedia, wenn sie Erläuterun­gen zu einem Begriff suchen. Archivfoto: Peter Michaelis

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