Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Gera und Jena ganz vorn im Rennen um den Titel „heißeste Stadt Thüringens“
Umweltministerin Siegesmund (Grüne) stellt ersten Bericht über Klimawandelfolgen im Land vor. AfD: „Größenwahn“
Jena und Gera liefern sich seit Jahren ein Rennen um den inoffiziellen Titel „heißeste Stadt Thüringens“.
Das ist rein klimatologisch gemeint. Es geht um die fast überall im Land steigende Anzahl sogenannter heißer Tage im Jahr. Also Tage, an denen Messstationen in zwei Meter Höhe 30 Grad Celsius und mehr registrieren. Mit Ausnahme des Jahres 2011 hatte seit 2003 immer Gera das heißere Ende für sich. Beiden Städten ist jedoch gemeinsam: Ihre Anzahl der heißen Tage hat sich in den vergangenen 30 Jahren stark erhöht und liegt sowohl über dem bundesweiten Mittel als auch deutlich über dem Thüringer Durchschnitt. Fachleute sprechen von städtischen Wärmeinseln, die ihren Bewohnern sowie der Bausubstanz Probleme bereiten. Der globale Klimawandel mit seinen Folgen sei in Thüringen angekommen, sagt Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne). Gestern stellte sie in Erfurt ihren Kabinettskollegen den ersten Bericht über die Klimawandelfolgen im Freistaat vor. Ein 144 Seiten starkes Werk, zusammengestellt von einer interministeriellen Arbeitsgruppe und der Thüringer Klimaagentur. Der Bericht wertet verfügbare Klimadaten aus und beschreibt Lebensbereiche, die sich wohl oder übel mit Anpassungsstrategien beschäftigen müssen.
Abgebildete Entwicklungen von Indikatoren wie Temperatur, Niederschlagsmenge, Sonnenscheindauer, Schneedecke und Gewittergeschehen lassen
für Thüringen die Vermutung zu, dass die Jahresmitteltemperatur weiter ansteigt. Verbunden mit einem immer früheren Blühbeginn vieler Planzenarten, Trockenperioden in der Vegetationsphase, einer Zunahme sehr heißer Sommertage und von Wintermonaten, die zwar nass sind, aber denen immer häufiger die Eistage fehlen werden. In dieser Klimaküche dürften auch Unwetter mit Hagel, Sturm, Starkregen und daraus folgenden Überschwemmungen zunehmen. Ministerin Siegesmund erinnerte an die Schäden, die eine Gewitterfront erst vergangenen Freitag vor allem in Ostthüringen anrichtete. Zugentgleisung und zahlreiche Unfälle auf den Autobahnen inklusive. Das sei kein Thema nur für Versicherungen. Der Bericht 2017 zu den Klimawandelfolgen beschreibt den wachsenden Anpassungsdruck für Land- und Forstwirtschaft, Schadinsekten, die sich bei Wärme und Trockenheit besonders wohl fühlen, Kapazitäten der Straßenentwässerung und sogar die Belastung von Allergikern durch früh einsetzenden Pollenflug. Dem Tourismus in Thüringen werden perspektivisch Chancen eingeräumt,
weil die Zahl der Sonnenscheintage zunehme. Der Wintersport hingegen scheint schlechte Karten zu haben. Denn die Schneesicherheit selbst in den Mittelgebirgen wird vor allem eines: immer unsicherer. Zur Frage, warum Thüringen dann den Wintersport in Oberhof sündhaft teuer ausgebaut hat, wird die Umweltministerin schmallippig. Der Monitoring-Bericht zu den Klimawandelfolgen stehe allen Ministerien zur Verfügung, sagte sie gestern.
Der Bericht mit seinen landesspezifischen Daten soll auch die Landkreise, Städte und Gemeinden bei ihren Überlegungen unterstützen, wie auf die Klimaveränderungen reagiert werden müsste. Für die AfD im Landtag ist der Bericht, der zum geplanten Thüringer Klimagesetz gehört und alle fünf Jahre fortgeschrieben werden soll, lediglich Ausdruck politischen Größenwahns . Aus Thüringen heraus solle das Weltklima gerettet werden, während China und die USA sich solchen Maßnahmen verweigern. Außerdem habe es in den vergangenen Millionen von Jahren ständig Klimawandel gegeben.
Nicht ganz so krass, aber dafür viel ausführlicher vertritt die Bürgerinitiative „Energiewende mit Vernunft“e.V. eine ähnliche Meinung. Dass der Mensch maßgeblicher Verursacher der jüngsten Veränderungen im Klimasystem ist, sei „wissenschaftlich umstritten und nicht eindeutig belegt“, formulieren die Gegner des massiven Windkraftausbaus in ihrer Stellungnahme zum Klimagesetzentwurf. Der Naturschutzverband BUND ist zwar grundsätzlich für ein Klimagesetz, bedauert aber, dass es keinerlei Sanktionen bei Verstößen kennt. Siegesmund sagt, es gehe hauptsächlich um Leitlinien und Anreize.
Von Schneesicherheit kann keine Rede sein „Wir sind nicht nur Hauptverursacher des Klimawandels, sondern leiden auch unter seinen Folgen.“Umweltministerin Anja Siegesmund (Bündnis 90/Grüne)