Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Unbekannter Roman von Walt Whitman veröffentlicht
„Jack Engles Leben und Abenteuer“ist die faszinierende Geschichte eines New Yorker Aufsteigers
Bisher galt Walt Whitman (18191892) als genialer Poet, die Prosa des großen amerikanischen Dichters („Grasblätter“) fand dagegen nur wenig Freunde. Whitmans erster Roman „Franklin Evans“, die Geschichte eines bekehrten Alkoholikers, gilt sogar als ziemlich missglückt. Whitman selbst schien dieser Roman so peinlich zu sein, dass er ihn fortan mit Schweigen überging – wie überhaupt sein gesamtes Prosa-Werk.
Auch aus diesem Grund blieb „Jack Engles Leben und Abenteuer“so lange unentdeckt. Erst vor Kurzem förderte der Whitman-Forscher Zachary Turpin diesen bisher völlig unbekannten Roman in der Tradition von Charles Dickens zutage. Ein Sensationsfund, der nun einen ganz neuen Blick auf Whitmans Prosa ermöglicht. Jetzt ist der Roman auch in deutscher Sprache erschienen.
„Jack Engles Leben und Abenteuer“ kam im Frühjahr 1852 als Fortsetzungsroman im New Yorker „Sunday Dispatch“heraus, dem damals größten „Drei-Cent-Blatt der Vereinigten Staaten“. Er wurde allerdings ohne Autorenname publiziert. Nach sechs Folgen versank das Werk in der Versenkung, einer Kritik wurde er nicht für würdig befunden.
Erzählt wird die Geschichte des Waisenjungen Jack Engle, der bei einem zu bescheidenen Wohlstand gekommen Milchhändler und seiner Frau aufwächst. Sein Pflegevater bringt den Halbwüchsigen zur Ausbildung zum Rechtsanwalt Covert, der sich schnell als eine durchtriebene und auf ihren Vorteil bedachte Person entpuppt. Im Hause des windigen Anwalts kommt Jack mit ganz unterschiedlichen Menschen in Kontakt und er macht die ersten Schritte in die New Yorker Gesellschaft.
Schließlich lernt er Coverts junges Mündel Martha kennen, die ihre Eltern auf tragische Weise verlor. Nach und nach entdeckt Jack, wie Covert Martha um ihr Erbe betrügt und weitere düstere Geheimnisse, die seine eigene Biografie mit der des jungen Mädchens verbindet. Das junge Paar verbündet sich gegen den ausbeuterischen Covert und plant die heimliche Flucht. Die Suche nach dem Glück steht auch über Whitmans Aufsteigergeschichte. Vor allem aber ist der Roman eine Liebeserklärung an New York.