Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Das Duell umden Aufstieg
Am Sonntag um 14 Uhr tritt der FC Carl Zeiss Jena zum Hinspiiktoria Köln an. Der große Vereinsvergleich von Holger Zaumsegel
Die Trainer
Gemeinsam haben Kölns Marco Antwerpen (45) und Jenas Mark Zimmermann (43) die Schulbank gedrückt und 2016 die Fußballlehrer-Lizenz erworben. Beide sind noch recht junge Trainer, die ihre Ämter als Chefcoach erst zu Saisonbeginn angetreten haben. Antwerpen und Zimmermann waren als Spieler Profis, wobei der Jenaer die größeren sportlichen Meriten sammeln konnte. Dafür hat sein Kölner Pendant mehr Erfahrung als Cheftrainer: Vor seinem Wechsel nach Köln trainierte er Rot Weiss Ahlen. Zimmermanns Trainerkarriere beschränkt sich auf den FC Carl Zeiss, vergangenes Jahr als A-Junioren-Coach.
Die Verteidigung
Jenas Prunkstück hat in 34 Spielen nur 25 Gegentreffer zugelassen, Bestwert in der Staffel. Die Mannen um Oldie René Klingbeil haben ihre Sache richtig gut gemacht. Nach lediglich sechs Gegentoren in der Hinrunde wackelte das Abwehrbollwerk in der Rückrunde etwas. Zeugnis dafür: Zuletzt fand sich Justin Gerlach, der lange als unverzichtbar galt, auf der Ersatzbank wieder. Kölns Defensive ließ indes 42 Treffer in 34 Spielen zu. Hier scheint es eine kleine Schwäche zu geben. Allerdings pflegen die Kölner eine offensivere Spielweise, sind dadurch etwas anfälliger. Hinzu kamen Verletzungssorgen wie der Ausfall zuletzt von Abwehrchef Daniel Reiche oder von Linksverteidiger Sascha Eichmeier. Mit Philip Kühn und Jenas Raphael Koczor haben beide Teams einen sicheren Rückhalt.
Das Mittelfeld
Hier sind beide gut aufgestellt, spielen viele Pässe, haben Ballbesitz-Dominanz. Bei Jena sind vornehmlich René Eckardt und Niklas Erlbeck die Spielgestalter, bei Köln ist Mike Wunderlich hervorzuheben, ein klassischer Zehner, der in der nächsten Rubrik die Hauptrolle spielt.
Der Angriff
Klarer Vorteil für Viktoria Köln: 91 Tore in 34 Spielen sind eine beeindruckende Quote. Mit 29 Toren und zahlreichen Vorlagen ist Mike Wunderlich die Angriffswaffe der Kölner. Bekommt Jena ihn nicht in den Griff, droht Ungemach. Der zweitbeste Stürmer, Sven Kreyer (12 Tore), fällt wegen eines gebrochenen Wadenbeins verletzt aus. Mit Timm Golley (9) und Fatih Candan (8) haben die Kölner aber ausreichend Ersatz.
Auch der Jenaer Angriff lief in dieser Saison rund, brachte es immerhin auf 68 Treffer. Timmy Thiele (14) und Manfred Starke (11) heißen die torgefährlichsten Jenaer. Und mit Bedi Buval (10) hat Mark Zimmermann noch einen weiteren Torgaranten auf der Bank.
Die Systeme
Ob es am gleichen Fußballlehrer-Lehrgang liegt? Beide Trainer lassen bevorzugt im 4-2-3-1System spielen. Die Experimente von Mark Zimmermann, der zuletzt auch mit Dreier- oder Fünferkette in der Abwehr agierte, dürften wohl beendet sein. Im Vergleich interpretieren die Kölner das auf Ballbesitz ausgerichtete System etwas offensiver, was Vor- und Nachteile hat.
Die Philosophie
Bei beiden Klubs hat man in der Vergangenheit eher auf gestandene Spieler gesetzt. In Jena sei an Tom Geißler erinnert, bei Viktoria tauchte in der Saison 2013/2014 der Name Albert Streit im Kader auf. Geholfen haben die „großen“Namen wenig, so dass seit dieser Saison verstärkt die Jugend eingebunden wurde. Beim FC Carl Zeiss vielleicht noch ein bisschen mehr als in Köln. Dass die Mischung aus Jung und Alt scheinbar zum Erfolg führt, beweisen die Staffelsiege der Teams.
Die Kapitäne
René Eckardt bei den Jenaern, Mike Wunderlich bei Viktoria. Beide sind absolute Führungsspieler, genießen hohe Anerkennung auch über die Vereinsgrenzen hinaus. Eckardt ist ein Jenaer Eigengewächs und hat mit dem FC Carl Zeiss viel erlebt. Ist er fit, ist er einer der besten Spieler der Liga. Kölns Wunderlich spielt nun schon seit 2012 für die Viktoria. Der 31-Jährige hat auch schon in der 2. Bundesliga für den FSV Frankfurt gekickt. Doch so gut wie in dieser Spielzeit war er noch nie.
Die Erfahrung
Pluspunkt Viktoria. Der FC Carl Zeiss hat mit Leuten wie Klingbeil, Eckardt oder Buval zwar auch extrem erfahrene Kicker in seinen Reihen, aber Köln ist hier klar im Vorteil. Zahlreiche Spieler im Kader haben schon höherklassig gespielt. Um nur einen zu nennen: Abwehrmann Markus Brzenska war in der Bundesliga schon für Borussia Dortmund am Ball.
Die Verletzungssorgen
Mit Abwehrchef Daniel Reiche, Linksverteidiger Sascha Eichmeier und Stürmer Sven Kreyer fehlten der Viktoria zuletzt drei wichtige Stammspieler, was beim Regionalliga-West-Meister aber kompensiert werden konnte. Zumindest Eichmeier und Kreyer werden auch gegen Jena ausfallen. Der FC Carl Zeiss wiederum muss auf Talent Maximilian Schlegel schon die ganze Rückrunde verzichten. Die lange verletzten Manfred Starke und René Eckardt müssen laut Trainer Zimmermann noch zurück zur Bestform finden.
Jüngste Pokalmeriten
Beide Teams mauserten sich in jüngster Vergangenheit zum Pokalschreck, auch wenn beide im jeweiligen LandespokalWettbewerb diese Saison bereits ausgeschieden sind. Zuvor gewannen sie aber jeweils drei Mal in Folge den Landespokal und qualifizierten sich für den DFBPokal. Da stolperte der Erstligist Hamburger SV über Jena. Köln ließ, ebenfalls 2015/16, Union Berlin scheitern.
Für beide Vereine aktiv
Da gibt es im aktuellen Kader nur einen Spieler: Jenas Keeper Raphael Koczor. Der wechselte 2013 nach Köln, konnte sich unter dem damaligen Trainer Claus-Dieter Wollitz aber nicht durchsetzen. Er wurde nach Kassel ausgeliehen, bevor er nach Jena wechselte, wo er mittlerweile eine feste Bank ist. Dass er Wollitz, jetzt Coach von Energie Cottbus, den Staffelsieg verdarb, war eine Genugtuung.
Die letzten Ergebnisse
Nachdem beide Teams sehr souverän durch die Saison marschiert sind und vorzeitig den Staffelsieg perfekt gemacht haben, war bei beiden der Druck weg. Köln schied durch ein 0:2 gegen Bonn im Halbfinale aus dem Mittelrhein-Pokal aus und verlor bei Sprockhövel, ehe man sich gegen Wiedenbrück (4:0) meisterlich zurückmeldete. Beim 0:2, wiederum gegen Bonn, im letzten Punktspiel schonte Antwerpen seine TopSpieler wie Mike Wunderlich.
Ein deutlicher Leistungseinbruch war auch bei den Jenaern nach dem Staffelsieg zu spüren. Die Spiele in Schönberg (1:2) und zuhause gegen Viktoria Berlin (0:2) wurden lieblos hergeschenkt. Trainer Zimmermann sah sich dazu gezwungen, sein Team zu einer Aussprache zusammenzutrommeln. Die half: Beim 4:0 im letzten Punktspiel beim BFC Dynamo präsentierte sich Jena wieder bärenstark.
Die Geschichte
„Der Verein rechts vom Rhein“hat sich immer als Gegenentwurf zum 1. FC und zu Fortuna Köln verstanden. Die Wurzeln des Klubs gehen bis 1904 zurück. Es kam zu zahlreichen Fusionen – als Preußen Dellbrück oder SC Viktoria Köln spielte man in der damals erstklassigen Oberliga West und zwischen 1978 und 1981 in der 2. Bundesliga Nord –, ehe der Anschluss an den höherklassigen Fußball verloren ging. Der heutige Verein wurde 2010 neugegründet, schaffte schnell den Sprung in Liga 4 und etablierte sich dort.
Der FC Carl Zeiss, 1903 gegründet, hatte seine Glanzzeiten zu DDR-Zeiten, als der Klub mit Nationalspielern wie Peter Ducke drei Meisterschaften und vier Mal den FDGB-Pokal gewann. Der größte Erfolg der Vereinsgeschichte ist der Finaleinzug im Europapokal der Pokalsieger 1981, das Dinamo Tiflis in Düsseldorf 2:1 gewann. In der Nachwendezeit sind die insgesamt acht Spielzeiten in der 2. Bundesliga sowie der Einzug ins DFB-Pokalhalbfinale 2008 hervorzuheben. Seit 2012 dümpelt Jena nun in Liga vier herum.
Die Sponsoren/Investoren
Dass der FC Carl Zeiss auch finanziell noch mithalten kann, ist vor allem dem Belgier Roland Duchatelet zu verdanken. Er erwarb 2014 Anteile an der Spielbetriebs-GmbH und hilft seitdem mit Darlehen aus, die den Verein über Wasser halten. Sein Einfluss ist groß, den Machtkampf mit Ex-Präsident Lutz Lindemann konnte er für sich entscheiden. Allerdings ist der Belgier kein Sponsor: Fordert er sein Geld zurück, kommt der FCC in existenzielle Nöte.
Viktoria Köln baut auf ein gutes Sponsorenfundament. Obwohl Franz-Josef Wernze (68), Chef der ETL-Gruppe, in den Medien oft als Mäzen bezeichnet wird, tritt seine Steuer-, Rechts- und Unternehmensberatung eher als Sponsor auf.
Die Fans
Im Kölner Sportpark Höhenberg werden beim ersten Aufeinandertreffen am Sonntag mehr Jenaer als Kölner sein. Das hat zwar auch mit den örtlichen Gegebenheiten zutun, weil man auf der Gegengerade keine unterschiedlichen Fanlager ansiedeln wollte, zeigt aber dennoch, wer mehr Anhänger hat: der FC Carl Zeiss. Der zwölfte Mann in dieser Relegation ist ein Jenaer.
Das Fazit
Es gibt zahlreiche Gemeinsamkeiten. Das große Plus der Viktoria liegt im Angriff, jenes des FC Carl Zeiss in der Verteidigung. Die Tagesform und auch das Glück werden entscheiden. Mit den Fans im Rücken könnten die Jenaer aber leicht im Vorteil sein, auch wenn Viktoria genügend erfahrene Spieler hat, für die so eine Stimmung nichts Neues ist.