Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Geschichten aus einem abgeschotteten Land
Der nordkoreanische Dissident Bandi erzählt in „Denunziation“von dem harten Leben in seiner Heimat
Und wieder ein Raketentest. Wenn Nordkorea in die internationalen Schlagzeilen gerät, hat das meist mit dem Atomwaffen- und Raketenprogramm des Landes zu tun. Das Gesicht von Machthaber Kim Jong Un, es ist das Konterfei einer ganzen Nation. Aus dem Leben der rund 25 Millionen weiteren Menschen, die in diesem von der Außenwelt völlig abgeschnittenen Staat leben, erfährt man so gut wie nichts.
Sieben unter dramatischen Umständen außer Landes geschmuggelte Erzählungen sollen das nun ändern. Verfasst hat sie ein nordkoreanischer Dissident und Schriftsteller, der sich Bandi nennt. Seine Geschichten spielen in den Jahren zwischen 1989 und 1995, also vor und kurz nach dem Tod von Staatsgründer Kim Il Sung. Jetzt, mehr als zwei Jahrzehnte später, erreichen die Erzählungen auch den deutschen Leser. „Denunziation“heißt das Werk, das im Piper-Verlag erschienen ist.
Wer Bandi ist, weiß so gut wie niemand. Zu gefährlich für ihn und seine Familie wäre es, seinen echten Namen zu nennen. Nur wenige Details sind bekannt: Er wurde 1950 geboren und verlor durch die große Hungersnot der 90er-Jahre etliche Angehörige. Er sammelte Geschichten seiner Mitmenschen, die ans Herz gehen, obwohl sich die Echtheit der schmerzhaften Geschehnisse nicht nachprüfen lässt.
Ins Deutsche übersetzt bedeutet das Pseudonym „Bandi“so viel wie „Glühwürmchen“. Dieses Glühwürmchen will mit seinen Erzählungen Licht ins Dunkel über das Leben in Nordkorea bringen. Dieses Leben ist geprägt von ständiger Angst, von Unterdrückung und Überwachung.
Bandi lässt seine Protagonisten ebendiese Missstände anprangern. Jede Erzählung an sich ist von Bitterkeit getränkt. Da ist die junge Frau, der am Nationalfeiertag in Pjöngjang die Furcht ihres Sohnes vor einem großen Abbild von Karl Marx zum Verhängnis wird. Der Journalist, der sieht, was falsch läuft in seinem Land, wegen der Zensur des örtlichen Parteikomitees aber doch nur Märchen verbreiten darf. Die Frau, die heimlich Verhütungsmittel nimmt, weil sie keine Kinder zur Welt bringen möchte, die das Leid ihrer Familie ertragen müssten. Für diese Ohnmacht vor der allgegenwärtigen Staatsmacht finden Bandis Erzählfiguren unterschiedliche Beschreibungen. Die eine spricht von einer „Angst, die ihr Blut gefrieren ließ“, ein anderer davon, dass ihn diese Ohnmacht wahnsinnig mache.
„Denunziation“wird viele Leser an George Orwells „1984“erinnern. Der größte Unterschied zwischen den beiden Werken ist, dass sich Bandis Schilderungen tatsächlich in einem echten Land abspielen. Manche werden auch Parallelen zum wachsamen Auge der Stasi ziehen.
Die gut 220 Seiten sind schnell durchgelesen, was schade ist, da der Leser allerspätestens nach der Erzählung „Die Bühne“noch mehr erfahren möchte über die Menschen in Nordkorea. Dass man nicht einfach frei in diesen Staat im Norden der Koreanischen Halbinsel reisen kann, um sich selbst ein Bild von diesem abgeschotteten – und ohne Frage faszinierenden – Land zu machen, macht Bandis Eindrücke umso kostbarer.
Die Erzählungen sind ein Anfang, um eine unbekannte Welt kennenzulernen. Es wird klar: Nordkorea ist mehr als Atomwaffen und Militärparaden – Nordkorea ist ein Land voller Menschen, die ebenso lieben, lachen und Freundschaften pflegen wollen wie Südkoreaner, Deutsche oder sonstwer auch. Bandi: Denunziation. Erzählungen aus Nordkorea. Piper Verlag, Seiten, Euro