Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Europa in der Klemme
Als ob Indiens Premierminister Narendra Modi es geahnt hätte, klopft der Hindunationalist just zu der Zeit in Berlin an, in der die Europäer sich vergrätzt von der in Jahre gekommenen Ehe mit den USA unter Führung Donald Trumps abwenden. Ein paar Tage nach Modi wird Chinas Premier Li Keqiang versuchen, in Berlin und anderen europäischen Staaten die Gunst der Stunde zu nutzen.
Asiens Sonnenaufgänge erscheinen angesichts der dunklen Wolken im Westen so verführerisch wie lange nicht mehr. Indien lockt mit einem potenziellen Markt von 1,2 Milliarden Einwohnern und einem Wirtschaftswachstum knapp unter sieben Prozent. China träumt davon, dass dereinst alle Wege nach Peking führen. Und Südostasien wird gerade von der westlichen Wirtschaft wiederentdeckt. Doch der Glaube, Europa könne angesichts enttäuschter Liebe zu Washington nun Asien umarmen, riecht nach Selbstüberschätzung. Mit vielen potenziellen Partnern in Asien ist nicht gut Kirschen essen.
Die Partei des indischen Premierministers entpuppt sich als erschreckend intolerant. China glaubt dank seiner Wirtschaftsmacht, es könne jeden abstrafen, der sich widersetzt. Mit Ausnahme von Indonesien werden Südostasiens Staaten von Militärregimes oder autoritären Potentaten gesteuert. Hinter dem schönen Schein wachsender Ökonomien verstecken sich von Afghanistan bis zu den Philippinen eine Unzahl Konflikte, in die Europa stärker hineingezogen werden könnte.