Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Nur Thüringer spendeten im Vorjahr ihre Organe
Vor dem Tag der Organspende werben Experten für eine rechtzeitige Entscheidung. Thüringer auf Wartelisten
Erfurt. Gabriele Schweigler hat eine schwere Entscheidung getroffen. Als 2010 bei ihrer Freundin der irreversible Hirntod diagnostiziert wurde, gab sie ihre Organe für Transplantationen frei. Möglich wurde dies durch eine Generalvollmacht, die ihr die Freundin ausgestellt hatte. „Ich war mir sicher, dass dies in ihrem Sinne war. Sie war eine den Menschen zugewandte Frau. Viele haben mich nicht verstanden. Ich habe dadurch auch Freunde verloren“, sagte Schweigler gestern bei einem Gespäch zur Organspende im Gesundheitsministerium.
Nach Ansicht der Deutschen Stiftung Organspende (DSO) leidet die Organtransplantation weiter unter den Folgen des Organspendeskandals von 2010/11. „Spender und gespendete Organe gingen um ein Drittel zurück. Deutschland hält damit im europäischen Vergleich die rote Laterne. Das ist auch eine Folge des Renommeeverlustes durch manipulierte Organ-Wartelisten“, sagte Stiftungsvorstand Axel Rahmel gestern im Gesundheitsministerium.
Ressortchefin Heike Werner (Die Linke) verwies auf Umfragen, wonach 80 Prozent der Deutschen Organspenden positiv gegenüberstehen. Nur jeder Dritte zeige dies jedoch auch in Form eines Organspenderausweises an. 2016 spendeten 28 Thüringer knapp 100 Organe, Tendenz weiter sinkend – deshalb müsse Klarheit herrschen, was mit Spenderorganen passiert. „Jeder Mensch soll rechtzeitig über eine Organspende entscheiden. Tut er das nicht, hat das Folgen für die Angehörigen, auf denen die Entscheidung lastet, und für die, die auf ein Organ hoffen“, so Werner.
In Deutschland warten 10 000 Menschen auf Organe, davon 340 aus Thüringen. Seit November 2012 gilt die sogenannte Entscheidungslösung. Danach sollte jeder Mensch ab 16 Jahren sich mit dem Thema Organspende auseinandersetzen und eine selbstbestimmte Entscheidung treffen. Einer Widerspruchslösung, bei der jeder der Organentnahme explizit widersprechen muss, standen die Experten gestern skeptisch gegenüber.
Egbert Trowe vom Patientenverband der Lebertransplantierten, der seit 2003 mit einer Spenderleber lebt, forderte mehr Aufklärung über Organspenden. „Sie ist eine großherzige Geste und ein großartiges Geschenk für die Empfänger“, so Trowe.
Nach Meinung von DSO-Vorstand Rahmel muss das Vertrauen in die Organspende zurückgewonnen werden. „Neue Kontrollmechanismen in den Transplantationszentren und externe Visitationen gewährleisten inzwischen höchstmögliche Transparenz bei Organverpflanzungen. Der Hirntod muss von zwei unabhängigen Ärzten festgestellt werden, 100-prozentige Sicherheit gibt es aber nicht“, erklärte der Mediziner.
Rahmel appellierte an Kliniken, Verstorbene als Spender bei der DSO anzuzeigen. Bisher würden viele Möglichkeiten verschenkt. In Thüringen gibt es an 35 Entnahmekliniken über 60 Transplantationsbeauftragte, die Betroffene und Angehörige begleiten. Laut Ministerin Werner arbeite das Land an einer Verordnung, die die Aufgaben der Beauftragen klar regeln soll.
Die 36-jährige Sängerin Christina Rommel versicherte, für sie gehöre der Spenderausweis in der Brieftasche zur Selbstverständlichkeit. Beim Tag der Organspende am Sonnabend auf dem Domplatz wird Rommel dafür musikalisch werben.
Gabriele Schweiger hat mit anderen inzwischen das Netzwerk Spenderfamilien gegründet. Dort will sie auch erreichen, dass Spender als Lebensretter anerkannt werden.