Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Eine Freundschaft mit Riss
Merkels Rede löst weltweit heftige Reaktionen aus und markiert einen Bruch in den transatlantischen Beziehungen
Berlin/Washington. Es kommt selten vor, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit einer Rede derart heftige Reaktionen auslöst. Doch ihre Worte bei einer CSU-Veranstaltung in München-Trudering am Sonntag elektrisierten die internationale Öffentlichkeit: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt. Und deshalb kann ich nur sagen: Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“ In dem Satz steckt politisches Dynamit. Er bedeutet nichts anderes, als dass die jahrzehntelange Sicherheitspartnerschaft und Freundschaft zwischen Amerika und Europa auf eine harte Probe gestellt. Die Kanzlerin hatte zwar Donald Trump mit keiner Silbe erwähnt. Doch ihr Frust über die Aussagen des USPräsidenten bei Nato und EU in Brüssel sowie beim weitgehend gescheiterten G7-Gipfel in Taormina war spürbar. Ihre Münchner Rede markiert einen Bruch in den transatlantischen Beziehungen. Diese gingen zwar immer wieder durch turbulente Phasen. Doch das Band der Verlässlichkeit, im Ernstfall auf Washington bauen zu können, war nie zerrissen.
Geknüpft wurde dieses Band direkt nach dem Krieg und als sich die Berliner Luftbrücke und die „Rosinenbomber“1948/49 tief in das kollektive Bewusstsein der Deutschen eingruben. Und auch wenn die USA die Ostpolitik von Kanzler Willy Brandt (SPD) mit Skepsis verfolgten, stand die starke Präsenz der amerikanischen Truppen in Deutschland und Europa nie zur Debatte. BrandtNachfolger Helmut Schmidt (SPD) machte sich für die NatoNachrüstung stark. Die beste Zeit im deutschamerikanischen Verhältnis fiel wohl in die Ära von Helmut Kohl (CDU) und George H. W. Bush. Dieser bereitete der Deutschen Einheit den Weg. Nach der Annektierung Kuwaits durch den Irak revanchierte sich Kohl mit einer Finanzspritze über zehn Milliarden Dollar. Ihren vorläufigen Tiefpunkt erlebten die deutschamerikanischen Beziehungen, als Gerhard Schröder (SPD) sich 2002 weigerte, an der IrakIntervention teilzunehmen.
Unter Merkel und Trump hat diese deutsch-amerikanische Sicherheitskooperation einen Knacks bekommen. In den USA gab es zum Teil heftige Reaktionen. Politische Kommentatoren äußerten sich pessimistisch. Für Richard Haass zum Beispiel, Chef der Denkfabrik „Council on Foreign Relations“, war Merkels Rede ein „Wendepunkt“in den transatlantischen Beziehungen. Und Cliff Kupchan, Analyst der „Eurasia Group“, prophezeite, dass Trumps Auftritte in Brüssel und Italien Wunden hinterlassen würden, die Amerika noch teuer bezahlen werde.
Und was macht die Kanzlerin? Sie wiederholt am Montag ihre Zweifel an der Verlässlichkeit der USA. „Wer sich heute nationale Scheuklappen aufsetzt und keinen Blick mehr für die Welt um sich herum hat, verläuft sich, davon bin ich überzeugt, letztlich ins Abseits“, sagte sie bei der Jahreskonferenz des Rats für Nachhaltige Entwicklung. Trotzdem würden Deutschland und die USA „natürlich“enge Partner bleiben. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), kritisierte: „Donald Trump hat durch seine Äußerungen, seine Nichtaussagen und sein Verhalten die Grundlagen der transatlantischen Gemeinschaft infrage gestellt“, sagte er dieser Redaktion. Wesentlich schärfer äußerte sich Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) und sprach von einem „Ausfall der USA als wichtige Nation.“Sie hätten ihre Führungsrolle abgegeben. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz warf Trump „politische Erpressung“vor: „Der neue US-Präsident setzt nicht auf internationale Kooperation, sondern auf Isolationismus und das vermeintliche Recht des Stärkeren“, sagte Schulz.
Die Verbindung mit den USA hielt bisher immer