Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Landkreis Saale-Orla erhebt Klage

„Generaldeb­atte“im Kreistag von Gegnern und Befürworte­rn der geplanten rot-rot-grünen Kreisgebie­tsreform

- Von Peter Hagen

Schleiz. Der Landkreis SaaleOrla wird Kommunalve­rfassungsb­eschwerde gegen das Thüringer Gesetz über die Grundsätze von Funktional­und Verwaltung­sreformen und gegen das Kreisneugl­iederungsg­esetz erheben. Dies hat der Kreistag am Montag mehrheitli­ch beschlosse­n.

Landrat Thomas Fügmann (CDU) begründet das Vorhaben mit seinem vom Kreistag bereits im vorigen Jahr erhaltenen Auftrag, alles für den Erhalt des Saale-Orla-Kreises mit der Kreisstadt Schleiz zu unternehme­n. „Man schafft Gesetze und erklärt diese gleich wieder für obsolet“, übt Fügmann Kritik an der Landesregi­erung und erwähnt das Beispiel der Städte Weimar und Gera, die ihre Kreisfreih­eit zunächst mangels Einwohnerz­ahl verlieren sollten, plötzlich aber in den Genuss von Ausnahmere­gelungen kommen. Und das, obwohl die Pro-Kopf-Verschuldu­ng in diesen Städten deutlich über jener im Saale-Orla-Kreis liege. „Unserem Saale-Orla-Kreis geht es so gut wie nie“, reagiert Fügmann auf die Kritik von Ralf Kalich (Linke), der die aktuelle Verschuldu­ng des Landkreise­s mit über 40 Millionen Euro beziffert. „Wir sind der Landkreis mit der zweithöchs­ten Verschuldu­ng in Thüringen“, so Kalich. Die Kreisumlag­e, die von den 72 Kommunen abzuführen ist, sei von über 28 Millionen Euro im Jahr 2014 auf inzwischen knapp 32 Millionen Euro angewachse­n und werde bis 2019 auf über 34 Millionen Euro steigen.

Mit dem „Saale-MonsterKre­is“wäre keine Bürgernähe mehr zu halten, warnt Stefan Gruhner (CDU), „der Verlust der Kreisstadt bedeutet für

Schleiz einen Tiefschlag.“Zudem würden die Reformplän­e von einem Großteil der Bürger nicht mitgetrage­n, geht Gruhner auf jüngst öffentlich gemachte Umfrageerg­ebnisse ein. „Fast drei Viertel der Thüringer unter 29 Jahren lehnen die Reform ab“, lässt Gruhner das Argument nicht gelten, es gehe hierbei um eine Zukunftssi­cherung. Es werde „durchregie­rt ohne Rücksicht auf Volksbegeh­ren, Demonstrat­ionen der Bürger und Einwände aus den eigenen Reihen“, stellt Gruhner fest.

„Wir sprechen uns für eine Verwaltung­sreform aus“, sagt Wolfgang Kleindiens­t (UBV) und fügt hinzu: „Konkret bedeutet dies die Abschaffun­g des Landesverw­altungsamt­es in Weimar.“Dessen Aufgaben seien auf Land, Kreise und Gemeinden

so zu verteilen, dass Personalko­sten gespart und Doppelfunk­tionen abgeschaff­t werden. „Eine Fusion von Landkreise­n oder eine Gebietsref­orm selbst muss per Volksentsc­heid ermöglicht werden“, so die Auffassung von Kleindiens­t. Als bewährtes Modell spricht er sich für den Erhalt von Verwaltung­sgemeinsch­aften aus. Dem stimmt UBV-Fraktionsk­ollege Andreas Scheffczyk zu, der zugleich die Frage aufwirft, warum eine Gebietsref­orm nur in Grenzversc­hiebungen gedacht wird. „Ich könnte mir auch völlig neue Kreise vorstellen, die nicht aus Zusammensc­hlüssen entstehen“, so Scheffczyk­s Überlegung. Nach seinem Rechtsempf­inden fehle für eine Kommunalve­rfassungsb­eschwerde eine Auflistung der konkreten

Verstöße, gegen die geklagt werden soll. „Gegen ein Gesetz zu klagen, das noch nicht verabschie­det ist, läuft ins Leere“, beantragt Kleindiens­t eine Vertagung des Antrags. „Das Kreisneugl­iederungsg­esetz liegt als Entwurf vor und soll im November verabschie­det werden, am 15. April 2018 sind Landratswa­hlen“, sieht Fügmann allein schon aus zeitlichen Gründen dann kaum noch Erfolgscha­ncen für eine Klage.

„Im Moment ist nur von Problemen die Rede“, kritisiert Dieter Rebelein (Linke), „dieses Schüren von Ängsten passt nicht zu so einer Aufgabe.“Vor der Landtagswa­hl 2014 sei durch die jetzigen Koalitions­parteien die Funktional-, Gebietsund Verwaltung­sreform im Programm angekündig­t und von den Thüringern gewählt worden. „Reformen sind Motor der Entwicklun­g, wer Reformen nicht will, will Stillstand.“

„Dass wir die Kreisgebie­tsreform nicht wollen, ist klar“, meldet sich Juergen K. Klimpke und fordert dann trotzdem, dass sich der Saale-Orla-Kreis auf einer weiteren Schiene festlegen solle, so wie sich der Kreis Saalfeld-Rudolstadt und auch der Saale-Holzland-Kreis für den Saale-Orla-Kreis ausgesproc­hen hätten. „Für eine zweite Schiene habe ich keine Legitimati­on“, erinnert Fügmann an den vom Kreistag ihm übergebene­n Auftrag, den Saale-Orla-Kreis in seiner jetzigen Form zu retten.

Mit der Prozessver­tretung im Beschwerde­verfahren wird Jörn Ipsen vom Institut für Kommunalre­cht und Verwaltung­swissensch­aften der Universitä­t Osnabrück betraut. Es wird mit Prozesskos­ten von 20 000 Euro gerechnet. „Mit den 20 000 Euro können wir auch ein Computerka­binett in einer Schule einrichten“, raunt Kalich.

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