Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Landkreis Saale-Orla erhebt Klage
„Generaldebatte“im Kreistag von Gegnern und Befürwortern der geplanten rot-rot-grünen Kreisgebietsreform
Schleiz. Der Landkreis SaaleOrla wird Kommunalverfassungsbeschwerde gegen das Thüringer Gesetz über die Grundsätze von Funktionalund Verwaltungsreformen und gegen das Kreisneugliederungsgesetz erheben. Dies hat der Kreistag am Montag mehrheitlich beschlossen.
Landrat Thomas Fügmann (CDU) begründet das Vorhaben mit seinem vom Kreistag bereits im vorigen Jahr erhaltenen Auftrag, alles für den Erhalt des Saale-Orla-Kreises mit der Kreisstadt Schleiz zu unternehmen. „Man schafft Gesetze und erklärt diese gleich wieder für obsolet“, übt Fügmann Kritik an der Landesregierung und erwähnt das Beispiel der Städte Weimar und Gera, die ihre Kreisfreiheit zunächst mangels Einwohnerzahl verlieren sollten, plötzlich aber in den Genuss von Ausnahmeregelungen kommen. Und das, obwohl die Pro-Kopf-Verschuldung in diesen Städten deutlich über jener im Saale-Orla-Kreis liege. „Unserem Saale-Orla-Kreis geht es so gut wie nie“, reagiert Fügmann auf die Kritik von Ralf Kalich (Linke), der die aktuelle Verschuldung des Landkreises mit über 40 Millionen Euro beziffert. „Wir sind der Landkreis mit der zweithöchsten Verschuldung in Thüringen“, so Kalich. Die Kreisumlage, die von den 72 Kommunen abzuführen ist, sei von über 28 Millionen Euro im Jahr 2014 auf inzwischen knapp 32 Millionen Euro angewachsen und werde bis 2019 auf über 34 Millionen Euro steigen.
Mit dem „Saale-MonsterKreis“wäre keine Bürgernähe mehr zu halten, warnt Stefan Gruhner (CDU), „der Verlust der Kreisstadt bedeutet für
Schleiz einen Tiefschlag.“Zudem würden die Reformpläne von einem Großteil der Bürger nicht mitgetragen, geht Gruhner auf jüngst öffentlich gemachte Umfrageergebnisse ein. „Fast drei Viertel der Thüringer unter 29 Jahren lehnen die Reform ab“, lässt Gruhner das Argument nicht gelten, es gehe hierbei um eine Zukunftssicherung. Es werde „durchregiert ohne Rücksicht auf Volksbegehren, Demonstrationen der Bürger und Einwände aus den eigenen Reihen“, stellt Gruhner fest.
„Wir sprechen uns für eine Verwaltungsreform aus“, sagt Wolfgang Kleindienst (UBV) und fügt hinzu: „Konkret bedeutet dies die Abschaffung des Landesverwaltungsamtes in Weimar.“Dessen Aufgaben seien auf Land, Kreise und Gemeinden
so zu verteilen, dass Personalkosten gespart und Doppelfunktionen abgeschafft werden. „Eine Fusion von Landkreisen oder eine Gebietsreform selbst muss per Volksentscheid ermöglicht werden“, so die Auffassung von Kleindienst. Als bewährtes Modell spricht er sich für den Erhalt von Verwaltungsgemeinschaften aus. Dem stimmt UBV-Fraktionskollege Andreas Scheffczyk zu, der zugleich die Frage aufwirft, warum eine Gebietsreform nur in Grenzverschiebungen gedacht wird. „Ich könnte mir auch völlig neue Kreise vorstellen, die nicht aus Zusammenschlüssen entstehen“, so Scheffczyks Überlegung. Nach seinem Rechtsempfinden fehle für eine Kommunalverfassungsbeschwerde eine Auflistung der konkreten
Verstöße, gegen die geklagt werden soll. „Gegen ein Gesetz zu klagen, das noch nicht verabschiedet ist, läuft ins Leere“, beantragt Kleindienst eine Vertagung des Antrags. „Das Kreisneugliederungsgesetz liegt als Entwurf vor und soll im November verabschiedet werden, am 15. April 2018 sind Landratswahlen“, sieht Fügmann allein schon aus zeitlichen Gründen dann kaum noch Erfolgschancen für eine Klage.
„Im Moment ist nur von Problemen die Rede“, kritisiert Dieter Rebelein (Linke), „dieses Schüren von Ängsten passt nicht zu so einer Aufgabe.“Vor der Landtagswahl 2014 sei durch die jetzigen Koalitionsparteien die Funktional-, Gebietsund Verwaltungsreform im Programm angekündigt und von den Thüringern gewählt worden. „Reformen sind Motor der Entwicklung, wer Reformen nicht will, will Stillstand.“
„Dass wir die Kreisgebietsreform nicht wollen, ist klar“, meldet sich Juergen K. Klimpke und fordert dann trotzdem, dass sich der Saale-Orla-Kreis auf einer weiteren Schiene festlegen solle, so wie sich der Kreis Saalfeld-Rudolstadt und auch der Saale-Holzland-Kreis für den Saale-Orla-Kreis ausgesprochen hätten. „Für eine zweite Schiene habe ich keine Legitimation“, erinnert Fügmann an den vom Kreistag ihm übergebenen Auftrag, den Saale-Orla-Kreis in seiner jetzigen Form zu retten.
Mit der Prozessvertretung im Beschwerdeverfahren wird Jörn Ipsen vom Institut für Kommunalrecht und Verwaltungswissenschaften der Universität Osnabrück betraut. Es wird mit Prozesskosten von 20 000 Euro gerechnet. „Mit den 20 000 Euro können wir auch ein Computerkabinett in einer Schule einrichten“, raunt Kalich.