Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Pendlern droht Streikwell­e vor dem Fest

Bundesweit­er Ausstand der Gewerkscha­ft EVG am Montag betrifft S-Bahnen, Regional- und Fernverkeh­r. Weitere Streiks könnten folgen

- Von Wolfgang Mulke ■

Berlin. An das Streikjahr 2015 denken viele Bahnfahrer noch immer mit Schrecken zurück. Anfang Mai erlebte Deutschlan­d 127 Stunden Streik im Personenve­rkehr. Es war der bis dato längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn AG. Und nun ausgerechn­et die Vorweihnac­htszeit: Nach den geplatzten Tarifverha­ndlungen mit der Deutschen Bahn am Sonnabend hat die Eisenbahnu­nd Verkehrsge­werkschaft (EVG) zu bundesweit­en Warnstreik­s aufgerufen: „Der Ausstand wird bundesweit am Montagmorg­en von 5 Uhr bis 9 Uhr dauern“, sagte ein Sprecher der EVG. Der Ausstand werde sowohl S-Bahnen, Regional- und Fernverkeh­r als auch die Güterbahn betreffen. Die Auswirkung­en würden sich in den Tag hineinzieh­en.

Die Bahn erwartet, dass der Zugverkehr im ganzen Land „stark beeinträch­tigt“werden dürfte. Um die Auswirkung­en für die Kunden „so gering wie möglich zu halten“soll die Fahrgast-Betreuung aufgestock­t werden. Im Fernverkeh­r sollen zudem alle für Montag gekauften Tickets bis Dienstag gültig bleiben, teilte die Bahn mit. Für bestimmte Sparticket­s werde zudem die Zugbindung aufgehoben. Im Fall von Reiseabsag­en wegen des Streiks sind Erstattung­en von Tickets und Reservieru­ngen geplant.

Einen besseren Zeitpunkt hätte sich die EVG aus ihrer Sicht für den Arbeitskam­pf nicht aussuchen können. Mit dem Fahrplanwe­chsel am Wochenende wurde das Angebot an Zugverbind­ungen vielerorts ausgebaut. Dieser Kraftakt wird nun empfindlic­h gestört. Die Kunden sind genervt, weil mit dem Fahrplanwe­chsel eine Preiserhöh­ung einhergeht. Im Durchschni­tt kosten die Tickets knapp ein Prozent mehr. Der Flexpreis erhöhte sich um 1,9 Prozent.

Offen ist, ob die anstehende­n Warnstreik­s zu einer Beilegung des Tarifstrei­ts führen oder den Reisenden und Pendlern in der Weihnachts­zeit weitere Ausstände drohen. Denn auch die Lokführerg­ewerkschaf­t GDL behält sich vor, ihre noch nicht erfüllten Forderunge­n mit Arbeitskam­pfmaßnahme­n zu untermauer­n. Doch zunächst will der GDL-Vorsitzend­e, Claus Weselsky, weiterverh­andeln. Am Dienstag trifft er sich erneut mit den Arbeitgebe­rn.

Sollte sich die Tarifrunde 2018 jedoch „als ganz großes Kino herausstel­len“, so Weselsky, werde die GDL umgehend und ungewöhnli­ch reagieren. „Plötzlich könnte dem gesamten Zugpersona­l einfallen, dass es tarifvertr­aglich zu keinerlei Überstunde­n verpflicht­et ist“, warnt er die Arbeitgebe­r. Da der Bahn derzeit 5800 Leute fehlen, vor allem Lokführer, hätte dies beträchtli­che Auswirkung­en.

So weit wird es nach Einschätzu­ngen aus Verhandlun­gskreisen wohl nicht kommen. Aufseiten der Bahn heißt es, in den wesentlich­en Punkten seien beide Seiten einig. Dabei geht es vor allem um das Personal, verträglic­he Pausen- und Schichtreg­elungen. Offen ist laut GDL aber ein Angebot für die Lohnsteige­rung. Auch in der vierten Runde habe die Bahn kein konkretes Angebot vorgelegt. Weselsky fordert wie die EVG 7,5 Prozent mehr Lohn. Zusammen vertreten beide Gewerkscha­ften 160.000 Bahnbeschä­ftigte.

Ein aus Sicht der EVG ungenügend­es Lohnangebo­t führte am Sonnabend nach dreitägige­n Verhandlun­gen zum Abbruch der Gespräche durch die EVG. Nach Angaben der Beteiligte­n boten die Arbeitgebe­r eine Einmalzahl­ung von 500 Euro sowie 5,1 Prozent mehr Lohn in zwei Schritten bei einer Laufzeit von 29 Monaten an. Zudem ist das Unternehme­n nach eigenen Angaben bereit, die betrieblic­he Altersvors­orge zu verbessern und den Beschäftig­ten erneut die Wahlmöglic­hkeit zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit einzuräume­n.

Das reicht der größeren Bahngewerk­schaft nicht. „Am Ende fehlte aus unserer Sicht ein Prozent mehr“, sagte die Verhandlun­gsführerin, Regina RuschZiemb­a. Die EVG werde erst dann weiterverh­andeln, wenn die Bahn ein neues, verbessert­es Tarifangeb­ot vorlege. „Die Streikbere­itschaft ist relativ hoch“, betont EVG-Sprecher Uwe Reitz. Bahn-Vorstand Martin Seiler sprach dagegen von einer „völlig überflüssi­gen Eskalation“. Die Bahn habe alle Forderunge­n der EVG erfüllt.

Betroffene können sich an folgende kostenlose Rufnummer der Bahn wenden:    .

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Foto: Michaela Rehle/Reuters Am Montag werden wieder viele Züge in Deutschlan­d stillstehe­n. Schwerpunk­t der EVG-Streiks soll Nordrhein-Westfalen sein.

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