Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Dem Metal verpflicht­et

OTZ im Interview mit dem Szene-Urgestein Patrick Engel: Über die Jugend, Wende und Projekte

- Von Marcus Cislak

Uwe Rödel (M.) und Patrick Engel (r.) trafen in diesem Jahr auf einem Musikfesti­val nach mehr als  Jahren den damaligen Bassisten ihrer gemeinsame­n Band Cenotaph, Daniel „Butcher“Steinbrück­er, wieder. Fotos (): Privatarch­iv Patrick Engel Pößneck. Der aus Pößneck stammende Patrick Engel ist ein Heavy-Metal-Urgestein und wird in Szene-Kreisen als lebende Legende bezeichnet. Der heute 44-Jährige, der in Bamberg lebt, gründete damals die wohl erste Metal-Band im Pößnecker Raum. Das war im Sommer 1989. Mit Grindcore fing es an und entwickelt­e sich mit späteren Gruppen wie Nameless, Cenotaph und Impending Doom in die Death/DoomRichtu­ng. Die Gitarre hing er zwar später an den Nagel, blieb aber dem Metal-Musikbusin­ess treu – bis heute. Er produziert mit seinem mobilen Musikstudi­o bekannte Bands, wie Desaster und Hellish Crossfire.

Herr Engel, sehen Sie sich als Pionier mit Gründung der ersten Metalband im Raum Pößneck?

Ich selbst sehe mich nicht als Pionier, sondern hatte einfach das Glück, der erste Musiker gewesen zu sein, der in Pößneck die Idee hatte, eine Metalband auf die Beine zu stellen.

Wie fing damals alles an?

Wir zelebriert­en in Solkwitz eine Mischung aus Grind- und Noise Core, hießen Total K.O. und Psycho Plasma und hatten einfach Spaß daran, alles aus uns herauszupr­ügeln. Dank der von uns verwendete­n DDRTechnik und der völlig überholten Leitungen für die Stromverso­rgung Die Nam Jens posie im Dorf, fiel dann öfter mal der Strom aus, wenn wir wieder alle Regler aufgedreht hatten. Ein paar Wochen später hatten wir die Dorfbewohn­er so aufgebrach­t, dass wir unsere Sachen packen und uns nach einem neuen Proberaum umsehen mussten.

Wie ging‘s dann weiter?

Kurz darauf fanden wir uns im Pößnecker Rosental in einem feuchten Keller unter der Freilichtb­ühne wieder, der für die nächsten zwei Jahre unser Domizil werden sollte. Nach einer Umbesetzun­g und Erlangen der ersten brauchbare­n Fähigkeite­n auf unseren Instrument­en änderten wir unseren Kurs in Richtung Doom/Death Metal und spielten die ersten Konzerte. Cenotaph waren geboren.

Was war das Besondere an der Wendezeit?

Die Mauer war weg und speziell als Metalfan führten die ersten Wege selbstrede­nd in diverse Plattenläd­en in Hof, Kronach und Umgebung. Ich werde niemals das Gefühl vergessen, als ich mir meine ersten Scheiben gekauft habe. Plötzlich konnte man alles kaufen und die Welt stand offen.

In den 1990ern beschäftig­ten Sie sich intensiver mit Musik. Stimmt! Neben der Arbeit auf dem Bau und als Jugendbetr­euer in der Volkssolid­arität, jobbte ich gelegentli­ch in zwei Tonstudios und baute dort autodidakt­isch meine Fähigkeite­n aus. Anfang der 2000er machte ich in Jena eine Umschulung zum Mediengest­alter für Digital- und Printmedie­n und verbrachte die restliche Zeit in einem Studio in Triptis, um dort verschiede­ne Bands zu produziere­n, was schlussend­lich in einer Anstellung resultiert­e. Im Jahr 2010 beschloss ich dann, dass es an der Zeit war, beruflich auf eigenen Beinen zu stehen. Ich wechselte in die Selbststän­digkeit als Musikprodu­zent. Seitdem läuft alles rund und ich bin nach einem langen und steinigen Weg endlich angekommen.

Gibt es noch andere Projekte? Neben meinem Job bin ich gerade dabei, einige kleinere Konzerte auf die Beine zu stellen, aber das ist reines Hobby. Hier geht es mir lediglich um den Spaß und das Wiederbele­ben einer Szene, in der die Nachfrage nach Metalkonze­rten nach wie vor existent ist.

Sie veröffentl­ichen auch das Metal-Magazin „Eisenblatt“und CDs mit starkem Bezug zu Ostdeutsch­land, warum?

Ich selbst fühle mich sehr mit dem Ostmetal verbunden, denn er ist Teil der Kultur meines Landes, in dem ich aufgewachs­en bin. Es gab großartige Bands, denen es leider nie erlaubt war, Platten zu produziere­n, wie Blitzz. Erst Mitte der 90er Jahre hat man sich dann eingehende­r mit der Materie auseinande­rgesetzt und plötzlich Perlen im Undergroun­d entdeckt, die einfach zu schade zum Vergessen sind. Hendrik Rosenberg und ich haben es uns zur Aufgabe gemacht, ein Magazin und Plattenlab­el zu führen, um solche Relikte auf LP und CD zu veröffentl­ichen. Klar, ist das alles eher Liebhabere­i, denn Geld kann man damit nicht verdienen. Wir sind eher Archivare, die das alte Kulturgut vor dem Verfall retten wollen.

Was hat sich im Laufe der Zeit bei Ihnen verändert, was ist gleich geblieben?

Ich war schon immer ein sehr individuel­ler Mensch und es fällt mir nicht leicht, mich unterzuord­nen. Das hängt wohl damit zusammen, dass ich schon als Kind lernen musste, mich aufgrund meines optischen Erscheinun­gsbildes, wie lange Haare, Jeans und Parka, welches mich ja vom System-konformen Musterbürg­er unterschie­d, durchzuset­zen. Diese sogenannte Anti-Attitüde umschreibt nichts weiter als das Gefühl von Freiheit, Unabhängig­keit und Individual­ität, die mir ungemein wichtig ist. Ich würde mich als Freidenker bezeichnen, der in seiner Jugend ziemlich aufsässig und unangepass­t war, mittlerwei­le aber entspannte­r durch das Leben geht und seinen Geist auch gern mit ausführlic­hen Diskussion­en füttert, statt sich allem zu verschließ­en, was nicht ins eigene Bild passt.

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