Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Vater gesteht nach Jahren Missbrauch der eigenen Tochter
G Bei den angeklagten Taten soll es sich nur um die Spitze des Eisberges handeln. Heutzutage sind die Verjährungsfristen deutlich länger
Gera. Am Landgericht Gera hat am Dienstag ein Prozess wegen schweren sexuellen Missbrauchs begonnen. Ein heute 62-Jähriger ist angeklagt, weil er sich in den Jahren 1998 und 1999 in 364 Fällen an seiner Tochter vergangen haben soll.
Vor dem 14. Geburtstag des Mädchens soll er fast täglich mit ihr in der Familienwohnung in Hermsdorf (Saale-HolzlandKreis) Geschlechtsverkehr ausgeübt haben, so der Vorwurf. Im Rechtsgespräch sagte Verteidiger René Palm, dass laut seinem Mandanten die Zahl der Übergriffe geringer gewesen sei. Ein bis zweimal pro Woche sei es zum Sex gekommen. Vereinbart wird schließlich Folgendes: Bei einer geständigen Einlassung für mindestens 70 Fälle wird die Haftstrafe zwischen vier und sechs Jahren liegen. „Der besondere Wert eines Geständnisses liegt aus Sicht der Kammer darin, dass durch die Aussage des Angeklagten öffentlich geklärt wird, dass seine Tochter nicht gelogen hat“, sagte der Vorsitzende Richter Uwe Tonndorf.
Alle Verfahrensbeteiligten stimmten der Absprache zu. Der Angeklagte räumte daraufhin über seinen Verteidiger die 70 Taten ein und will im nächsten Termin auch Fragen dazu beantworten. Nur soviel vorab: Nicht immer sei der Verkehr ungeschützt gewesen.
Die Tochter hatte im März 2017 Anzeige erstattet. Aus einer vom Gericht verlesenen Aussage einer Psychologin geht hervor, dass die angeklagten Taten nur die Spitze des Eisberges waren. Demnach soll sich der Missbrauch vom Alter von vier bis 21 Jahre erstreckt haben. Allerdings war es laut Staatsanwalt Arnd Knoblauch nicht möglich, weitere Fälle anzuklagen. Hintergrund sind die Verjährungsfristen, die bei Sexualstraftaten nach damaligem Recht kürzer als heute waren. Deshalb sei nicht weiter ermittelt worden.
Prinzipiell bemessen sich die Verjährungsfristen an den drohenden Höchststrafen eines Deliktes. Zum 1. April 1998 hatte sich die Maximalstrafe für einen Fall des schweren sexuellen Missbrauchs von zehn auf 15 Jahre Freiheitsentzug erhöht, damit steigt auch die Verjährungszeit an. Die möglichen Delikte nach dem 14. Geburtstag des Mädchens waren jedoch mit niedrigeren Maximalstrafen versehen und sind deshalb verjährt. Heute beginnt bei schwerem sexuellem Missbrauch die Verjährungsfrist erst, wenn das Opfer 30 Jahre alt geworden ist. Dann bleiben weitere 20 Jahre, die Tat zur Anzeige zu bringen. Eine Verurteilung ist damit theoretisch auch noch 50 Jahre nach der Tat möglich.
Das Landgericht setzt den Prozess am Donnerstag fort. Unter anderem möchte die Tochter gegen ihren Vater aussagen. Das Gericht kündigte an, dass es sich nicht an die Verfahrensabsprache gebunden sieht, falls sich gravierend andere Erkenntnisse ergeben.