Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
„WirsindimGesprächunddasistgut“
Schaufensterverhüllungsaktion der Pößnecker Gewerbetreibenden erfreut sich überregionaler Aufmerksamkeit
Pößneck. Redet man mit Gewerbetreibenden aus Pößneck über ihre noch bis Freitag laufende Schaufensterverhüllungsaktion, sind die meisten überrascht, welche Wellen diese Idee geschlagen hat. Nach der Erstberichterstattung der OTZ haben sich Rundfunk- und Fernsehanstalten im Rathaus und bei Händlern gemeldet, und das ging, wie am Dienstag, bis hin zu Live-Schaltungen ins Nachmittagsmagazin „MDR um 2“, nicht zuletzt interessiert sich die Boulevardpresse für das Ganze.
„Wir sind im Gespräch und das ist schon mal gut“, resümierte Ingvelde Schmidt, Chefin des gleichnamigen Stoffladens in der Gerberstraße, zur Halbzeit dieser Aktion der Initiative der Selbstständigen Unser Pößneck. Nach den ersten Verhüllungen hätten sich weitere Geschäfte zur Mitwirkung bereiterklärt, so dass nun von „mindestens 35 Teilnehmern“an dieser etwas anderen City-Werbung gesprochen werden müsse. „Am Ende hatten wir nicht genug Poster“, sagte sie, auf die Plakate mit der Aufforderung „Kauf da ein, wo du lebst!“verweisend. Etliche Kunden würden die Aktion gut finden, freilich habe es aber auch Kritik gegeben, etwa an den uneinheitlichen Öffnungszeiten im Zentrum.
„Was an berechtigter Kritik eingeht, werden wir auswerten“, sagte Katja Milev von Uhren und Schmuck Eismann in der Schuhgasse.
Bei ihr seien Beschwerden darüber eingegangen, dass die Schaufenster jetzt nicht schön seien. „Aber darum geht es doch!“, wird sie nicht müde, Sinn und Zweck der Aktion zu erklären. „Wir wollen einfach mal zeigen, wie es aussehen könnte, wenn sich nicht bald etwas ändert.“„Viele Leute begreifen nicht, worum es geht“, sagte auch Gabriele Könitzer von der Buchhandlung am Markt. Ihrem Eindruck nach bewege die Aktion eher Auswärtige als Einheimische.
Die Pößnecker stünden der Verhüllungsinitiative und ihrer Botschaft „mit einem gewissen Zwiespalt“gegenüber, sagte Steve Richter, Tabak-, Zeitschriftenund Getränkehändler in der Neustädter Straße sowie neuer und alter Grünen-Stadtrat in Pößneck. Er findet es schade, dass mancher Einheimische die Aktion nur als „Kritik am Kunden“empfunden habe, was so persönlich gar nicht beabsichtigt sei. Und er sieht in erster Linie die städtische Verwaltung in der Pflicht, realisierbare Lösungsansätze zu entwickeln, zumal die Einzelhändler weder die Kraft noch die Mittel für Projekte hätten, die das gesamte Stadtzentrum betrachten.
Nun haben die in Rot und Schwarz gehaltenen Aktionsplakate auch ein Fenster für individuelle Mitteilungen der teilnehmenden Geschäfte. Was steht da so drin? Mancherorts nichts. In mehreren verwaisten Läden wird die Dauer des Leerstands dokumentiert. Und etliche Geschäfte nutzen die Weißfläche, um für Produkte oder Dienstleistungen zu werben, die dem Passanten vielleicht nicht so bewusst sind. Die Kristallstube in der Neustädter Straße erinnert beispielsweise an ihren Griebsenkräuterlikör.
Jennifer Kahle, die junge Chefin der Suppen-undSalate-Bar in der Breiten Straße, spricht die Pößnecker direkt an: „Es liegt in Ihren Händen, wie die Stadt in 10 Jahren aussieht“, steht auf ihrem Plakat. „Ich meine das auch so“, erklärte sie und gab zu verstehen, dass sie nur positive Reaktionen auf die Aktion wahrgenommen habe.
Ein paar Schritte weiter wirbt die Boutique Life Style mit Shopping ohne RücksendeStress und nutzt das Restaurant Am Stadttor die Gelegenheit, sich bei der Stammkundschaft zu bedanken. Mode & Mehr by Hupfer im Steinweg fordert Passanten auf, doch ihre Schwellenangst zu überwinden. Und Mash Jeans aus der Breiten Straße verweist auf eine Modenschau, die am Freitag ab 17 Uhr aus Anlass des Festivals Fete de la Musique organisiert wird. Würde es einen Preis für die aufwendigste und aussagekräftigste Schaufensterverhüllung geben, dann müsste dieser an Ivo‘s MiniBaumarkt aus dem Steinweg gehen. Denn Ivo Schulze erklärt Sinn und Zweck der Aktion noch am ausführlichsten und eindringlichsten. Wer sich ein paar Minuten Zeit nimmt, kann aus seiner Auslage unter anderem folgende gute Frage mitnehmen: „Warum sind wir so schnell dabei, jemanden zu unterstützen, den wir nicht einmal persönlich kennen und der schon jede Menge Geld hat, während wir eine Million Gründe finden, jemandem, den wir kennen, unsere Unterstützung zu verweigern?“