Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Ein Mittagessen im Palast
Der ehemalige Uefa-Präsident Michel Platini wurde wegen des Verdachts der Korruption in Paris festgenommen
Paris. Vielleicht hätten die Statistiker schon vor dreißig Jahren, als Michel Platini gerade seine Fußballerkarriere beendet hatte, Alarm schlagen sollen. Direkt unter der Liste von 72 Länderspielen für Frankreich steht in einschlägigen Datenbanken zu lesen, dass der geniale Spielmacher ein weiteres Länderspiel absolviert hat: eines für Kuwait Ende November 1988.
So ein überraschendes Gastspiel für einen Ölstaat macht am Ende der Karriere nur, wer Bares für Rares erwartet oder sein internationales Netzwerk mit einem Einsatz (beim 0:2 gegen die Sowjetunion) zukunftsweisend erweitern will. Es kann jedenfalls kein Zufall sein, dass ihn jetzt die Verbindung zu den Wüstenstaaten den letzten Rest an Reputation kostet.
Im Rahmen von Korruptionsuntersuchungen wurde Michel Platini (63) am Dienstagmorgen in Polizeigewahrsam genommen und von der Kriminalpolizei im Pariser Stadtteil Nanterre zur WM-Vergabe 2022 an Katar verhört. Der Vorwurf: „Verdacht der aktiven und passiven Korruption”, wie die französische Nachrichtenagentur AFP berichtet.
Die Untersuchung soll herausfinden, wie empfänglich Michel Platini 2010 als Uefa-Präsident handelte, als er Katar die entscheidenden Stimmen aus Europa einbrachte. Der Verdacht von Korruption bestand schon seit Langem. Nur weitet sich der Katar-Skandal jetzt offiziell bis in den französischen Präsidentenpalast und den Tuchel-Club Paris Saint-Germain aus.
Konkret geht es um ein Mittagessen im Elysee-Palast am 23. November 2010. Auf Betreiben des damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy soll es eine geheime Absprache mit Tamin Bin Hamad Al Thani (Emir von Katar) und Hamad Ben Jassem (damals Premier in Katar) gegeben haben. Der mutmaßliche Deal klingt atemberaubend.
Katar sollte bei der Fifa-Abstimmung über die WM 2022 Platinis Unterstützung erfahren und im Gegenzug PSG kaufen, damit Paris mit millionenschweren Zuwendungen aus dem Nahen Osten einen Vorzeigeclub bekommt. Beides fand tatsächlich statt. Zu prüfen ist, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen den Entscheidungen besteht.
Platini bestreitet zwar jede Absprache. Aber Tatsache ist auch: Er wählte Katar und nicht die USA. Sein Sohn Laurent wurde Europa-Chef bei „Qatar Sports Investment” – jener Firma, die bei PSG einstieg. Die Behörden drehen nun jeden Stein um. Ihre Vorwürfe sind ernstzunehmen: Auch Sarkozys früherer Generalsekretär Claude Gueant wird aktuell verhört.
Bei aller Unschuldsvermutung, die auch bei Platini gilt: Zuzutrauen sind ihm diese Vergehen. Immerhin hatte er, Lichtgestalt der Franzosen, vier Jahre lang bei Fifa-Präsident Joseph Blatter das Funktionärsgeschäft aus Geben und Nehmen, Teilen und Herrschen gelernt. Irgendwann verlor er jedes Maß. Er stieg in die FifaExekutive auf und putschte 2007 in einer Kampfabstimmung UefaPräsident Lennart Johansson aus dem Amt. Platini konnte auf Zustimmung aus Osteuropa vertrauen, vor allem aus Polen und der Ukraine. Nicht viel später bekamen Polen und die Ukraine überraschend den Zuschlag für die gemeinsame EM 2012.
Die Fußballfamilie erlebte Platini nicht mehr als jenen Feingeist, der Juventus Turin und seine Nationalmannschaft zu Titeln führte und herzzerreißend in den zwei dramatischen WMHalbfinals 1982 und 1986 an Deutschland scheiterte. Plötzlich war er Machtmensch, rücksichtslos, gierig. Einer, der am Ende an sich selbst scheiterte.
2015 kam heraus, dass er von Blatter 1,8 Millionen Euro kassiert hatte. Beide wollten die Zahlung als verspätetes Beraterhonorar vertuschen. Doch die Fifa-Ethikkommission erkannte einen Zusammenhang zum Stimmverhalten in den Gremien und sperrte beide auf Jahre für jedes Funktionärsamt. Platini wurde nicht Fifa-Chef. Seine Sperre liefe jetzt im Oktober aus.
Katar kann auf die Vorgänge in Paris amüsiert schauen. Die WM 2022 ist ihnen nicht mehr zu nehmen. Aus Uefa-Kreisen ist zu hören, dass eine Verlegung logistisch nicht zu stemmen ist. Auch Fifa-Präsident Gianni Infantino ist fein raus. Von den einstigen Katar-Befürwortern ist keiner mehr da. War noch was?