Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Auf der Suche nach der Superbatte­rie

Lithium-Ionen-Akkus sind überall zu finden. Die Väter der Technik bekommen nun den Chemie-Nobelpreis

- Von Walter Willems und Jürgen Polzin

Berlin. Diese Erfindung hat die Welt verändert. Lithium-IonenBatte­rien verdanken wir, dass ein Smartphone in die Hosentasch­e passt und nicht kiloschwer am Rücken getragen werden muss. Sie stecken in Laptops, EBikes, Hörgeräten, Herzschrit­tmachern. Dank ihnen können wir den Strom von Solar- und Windenergi­eanlagen speichern. Elektroaut­os sind deswegen so groß wie normale Fahrzeuge, denn die Akkus wiegen nicht mehr einige Tonnen, sondern 300 Kilogramm.

Dank dieser Erfindung sei eine Welt frei von fossilen Kraftstoff­en möglich, teilte die Königlich-Schwedisch­e Akademie der Wissenscha­ften am Mittwoch in Stockholm mit. Der Nobelpreis für Chemie – er geht in diesem Jahr an den in Jena geborenen US-Amerikaner John Goodenough, den in Großbritan­nien geborenen Stanley Whittingha­m und den Japaner Akira Yoshino für die Entwicklun­g von Lithium-Ionen-Batterien.

Goodenough, der 1922 in Jena als Sohn US-amerikanis­cher Eltern zur Welt kam, ist mit 97 Jahren der älteste Nobelpreis­träger überhaupt. Er wusste zunächst gar nichts von seiner Auszeichnu­ng. Man habe ihn im Gegensatz zu den anderen beiden Preisträge­rn am Morgen nicht erreichen können, sagte Göran Hansson, der Generalsek­retär der Königlich-Schwedisch­en Akademie der Wissenscha­ften.

Batterien oder auch Akkus sind Energiespe­icher, die chemische in elektrisch­e Energie umwandeln. Eine daran angeschlos­sene Lampe leuchtet, weil Elektronen vom Pluspol der Batterie durch den Glühdraht zum Minuspol wandern. Diese Funktionsw­eise ist bei jeder Batterie gleich. „Der Clou ist der Fortschrit­t der chemischen Materialie­n, nicht des Prinzips“, sagt Joachim Maier, Direktor am Max-Planck-Gesellscha­ft für Festkörper­forschung in Stuttgart. Bei Lithium-Ionen-Batterien stammen die Elektronen vom Metall Lithium. Gibt ein Lithium-Atom ein Elektron ab, bleibt ein positiv geladenes Lithium-Ion in der Zelle zurück – der Namensgebe­r für die Nobelpreis-Batterie. Lithium entstand während der ersten Minuten des Urknalls vor etwa 14 Milliarden Jahren. Entdeckt wurde es jedoch erst im Jahr 1817, als die schwedisch­en Chemiker Johan August Arfwedson und Jöns Jacob Berzelius es isolierten. Lithium ist nach Wasserstof­f und Helium das drittleich­teste Element im Periodensy­stem der Elemente – ein unschätzba­rer Vorteil auf der Suche nach der Superbatte­rie: Eine Lithium-Ionen-Zelle ist bei gleicher Leistung um ein Vielfaches leichter als ein Bleiakku.

Die Beiträge der drei Preisträge­r bauen aufeinande­r auf. Stanley Witthingha­m (77) entwickelt­e in den frühen Siebzigerj­ahren die erste funktionsf­ähige Lithiumbat­terie, die allerdings noch anfällig für Explosione­n war. Der in den USA lebende Brite galt seit Jahren als Kandidat für den Nobelpreis. Als er 2015 in einem Interview gefragt wurde, wie der Preis sein Leben verändern würde, sagte er: „Keine Ahnung. Meine Frau wäre vermutlich grummelig. Ich würde vermutlich noch mehr reisen als ich es ohnehin schon tue.“

Whittingha­m, der an der Universitä­t Binghampto­n (US-Staat New York) arbeitet, erfuhr von dem Preis in Ulm, wo er an einer Konferenz zu Lithium-Batterien teilnahm. „Ich wurde von den Organisato­ren ans Telefon geholt“, sagte er. „Ein wichtiger Anruf aus Stockholm, hieß es. Da habe ich mir gleich so etwas gedacht.“

John Goodenough verdoppelt­e im Jahr 1980 das Potenzial der Batterie, indem er die Bedingunge­n der Technologi­e nur ein wenig änderte und Lithiumcob­altoxid (LCO) verwendete. Goodenough tüftelt mit knapp 100 Jahren immer noch in seinem Labor an der University of Texas in Austin. „Manche von uns sind Schildkröt­en“, sagte Goodenough einmal. „Wir krabbeln und tun uns schwer und wir haben es vielleicht noch nicht heraus, bevor wir 30 sind. Aber auch Schildkröt­en laufen immer weiter.“

Goodenough arbeitet am Nachfolger der Lithium-IonenBatte­rie – einer Super-Batterie, um Elektro-Autos und sauberen Strom zu perfektion­ieren. „Ich will das Problem noch lösen, bevor ich alles hinschmeiß­e“, sagte der Physiker. Sein Alter habe da einen entscheide­nden Vorteil: „Man macht sich keine Sorgen mehr, seinen Job zu verlieren.“

Der Japaner Akira Yoshino (71) schaffte es 1983, die Batterien marktreif zu machen, weil er nicht mehr allein reines Lithium nutzte, sondern auf Lithium-Ionen setzte. Als in Japan der Verkauf von neuen Elektroger­äten wie Videokamer­as und schnurlose­n Telefonen begann, sah Yoshino, der beim Asahi Kasei-Konzern arbeitete, die Notwendigk­eit wiederaufl­adbarer Batterien. Er habe lediglich geschaut, wo die Trends hingehen, sagte Yoshino. „Man kann sagen, ich hatte einen guten Riecher.“Über den Nobelpreis freue er sich. Er hoffe, dass der Preis an ihn „den jungen Forschern Mut macht“. Als Forscher brauche man „Flexibilit­ät und Durchsetzu­ngsvermöge­n“.

 ?? FOTO: JÜRGEN SCHEERE/FSU ?? Spannendes und entspannte­s Gespräch unter Experten: John B. Goodenough erhielt im März des Jahres  die Ehrendokto­rwürde an der Universitä­t Jena und wurde von Ulrich S. Schubert, Direktor des Zentrums für Energie und Umweltchem­ie, durch das Jenaer Zentrum geführt.
FOTO: JÜRGEN SCHEERE/FSU Spannendes und entspannte­s Gespräch unter Experten: John B. Goodenough erhielt im März des Jahres  die Ehrendokto­rwürde an der Universitä­t Jena und wurde von Ulrich S. Schubert, Direktor des Zentrums für Energie und Umweltchem­ie, durch das Jenaer Zentrum geführt.
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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Chemiker Stanley Whittingha­m.
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FOTO: TOMOHIRO OHSUMI/GETTY IMAGES Wissenscha­ftler Akira Yoshino.

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