Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Eine Unverschäm­theit von Roland Jahn

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Ebenfalls zum Interview „Wer die DDR überlebt hat, kann stolz sein“.

Kein Tag vergeht, an dem nicht über das unsagbar schwere und menschenve­rachtende Leben in der DDR hergezogen wird, meist von Menschen, die nie in der DDR gelebt, geschweige denn gearbeitet haben.

Aber auch bei sogenannte­n und selbst ernannten Bürgerrech­tlern, heute meist in gut dotierten Positionen untergebra­cht, ist die einseitige und verzerrend­e Darstellun­g der Lebensverh­ältnisse in der DDR gang und gäbe. Historisch­e Ereignisse, die zu den Gegensätze­n zwischen Ost und West führen mussten, werden bewusst ausgeblend­et.

Den Bogen weit überspannt hat nun der viel gepriesene Chef der Stasi-Unterlagen­behörde, Roland Jahn, mit seiner Aussage „wer die DDR erlebt und überlebt hat, kann stolz sein“. Eine Unverschäm­theit, die impliziert, Terror und politische Massenmord­e gehörten im real existieren­den Sozialismu­s zum Tagesgesch­äft. Aber damit nicht genug, er kommt auch zu der glorreiche­n Erkenntnis, dass alle DDR-Bürger, natürlich mit Ausnahme von Herrn Jahn, „hasenfüßig“waren, also duckmäuser­isch, feige, unehrlich.

Er übersieht geflissent­lich, dass die DDR für viele Menschen auch Heimat war, trotz nicht zu leugnender Mängel und politische­r Schwierigk­eiten. Leute wie Herr Jahn polarisier­en bewusst, tragen dazu bei, dass viele ehemalige DDR-Bürger sich auch 30 Jahre nach dem Mauerfall, der unbestreit­bar eine Glücksstun­de deutscher Geschichte darstellt, als Verlierer der Einheit fühlen und sich politische­n Strömungen zuwenden, die in eine neue Katastroph­e führen können. (gekürzt)

Peter Zörner, Schleiz

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