Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
„Ich würde Greta zuhören“
RWE soll zum Ökostromanbieter umgebaut werden. Der Vorstandschef Rolf Martin Schmitz spricht über die „revolutionäre“Umstrukturierung
Essen. Mit seinen BraunkohleKraftwerken im Rheinland ist RWE ein rotes Tuch für Klimaschützer. Nun setzt der Essener Energiekonzern auf eine grüne Zukunft mit Ökostrom. Wie das gehen soll, warum Deutschland sich bei der Energiewende selbst im Wege steht und was er von Greta hält, verrät RWE-Chef Rolf Martin Schmitz im Gespräch mit unserer Redaktion.
Vor wenigen Tagen haben Sie die „Ära der neuen RWE“ausgerufen. Klingt revolutionär, ist es das auch?
Rolf Martin Schmitz: Für RWE ist das revolutionär, weil sich das Unternehmen vollkommen ändert. Wir sind jetzt auf einen Schlag einer der globalen Marktführer bei erneuerbaren Energien, weil wir diesen Bereich von Eon und innogy übernehmen. Unser Ergebnis aus erneuerbaren Energien ist jetzt etwa dreimal so groß wie das aus konventionellen Energien. Wir wollen weiter wachsen und stellen dafür jährlich 1,5 Milliarden Euro netto für Investitionen in Erneuerbare und Speicher bereit.
Sie sind der „Lieblingsfeind“von Fridays for Future, gelten als größter Klimakiller. Wer soll einem Unternehmen, das so stark von Braunkohle und Atomkraft geprägt worden ist, den Wandel zum Ökostromkonzern abnehmen?
Das geht nicht über Nacht, das wissen wir. Es wird eine gewisse Zeit dauern, bis die Leute sehen: Die von RWE machen ja ganz vernünftige Sachen. Wir haben nun einmal noch einen hohen CO2-Ausstoß. Ich versuche gar nicht erst, das schönzureden. Aber wir haben auch einen klaren Fahrplan, um in zwei Jahrzehnten klimaneutral zu sein, mit sauberem, sicherem und bezahlbarem Strom.
Bis 2040 soll RWE klimaneutral sein. Doch 20 Jahre bis dahin sind eine lange Zeit.
Das stimmt, aber wir werden schon im Jahr 2030 unsere CO2Emissionen um 70 Prozent gegenüber dem Jahr 2012 gesenkt haben. Allein zwischen 2012 und 2018 haben wir bereits 60 Millionen Tonnen CO2 reduziert, das entspricht dem Treibhausaustoß von 30 Millionen Autos pro Jahr. Es ist uns schon lange klar, dass erneuerbare Energien die Kohle verdrängen. Wir hatten als Enddatum 2045 im Auge, das soll politisch gewünscht jetzt sieben Jahre früher kommen. Das werden wir schaffen. Mitarbeiter und Aktionäre wissen das. Nach dem Eon-Deal und kräftig gestiegenem Aktienkurs der RWE-Aktie strotzen Sie vor Kraft. Gleichzeitig rufen Sie nach Hilfe vom Staat für den Braunkohle-Ausstieg. Wie passt das zusammen?
Weil der gesellschaftlich beschlossene Ausstieg schneller kommen soll, als wir ihn selber machen würden, müssen uns zusätzlich entstehende Kosten und entgangene Gewinne ersetzt werden. Die Höhe lässt sich mit Gutachten relativ einfach klären. Uns geht es insbesondere um Entschädigungen für die Maßnahmen, die wir schon in den nächsten Jahren umsetzen sollen. Davon würden rund 3500 Mitarbeiter betroffen sein. Die Tagebaue Inden und Garzweiler sollen planmäßig bis 2030 bzw. 2038 weiterlaufen.
Beim Steinkohleausstieg war das Anpassungsgeld (APG) ein wichtiges Instrument. Lässt sich das Modell eins zu eins auf die Braunkohle übertragen? Ab einem Alter von 58 Jahren soll das APG greifen. Glauben Sie aber nicht, dass sich unsere Beschäftigten danach drängen. Im Moment wird diskutiert, wie ein Rentenausgleich erfolgen kann für die Abschläge, die auf unsere Mitarbeiter zukommen. Zuständig für das APG ist am Ende die Bundesregierung, die die Vorschläge der Strukturwandelkommission eins zu eins umsetzen will. Wie weit sind Sie denn in den Gesprächen mit der Regierung?
Es hat lange gedauert, bis die Gespräche Fahrt aufgenommen haben. Das ist jetzt der Fall. Es ist wichtig, dass wir eine verlässliche Basis für den Kohleausstieg bekommen, vor allem für unsere Mitarbeiter. Sie wollen wissen, bis wann Maßnahmen greifen und wie viele Stellen abgebaut werden müssen. Unsere Beschäftigten tragen den Ausstieg alle mit, sie wollen nur endlich genau wissen, wo sie dran sind. Die „neue RWE“will einer der weitweit größten Stromerzeuger für erneuerbare Energie werden. Aber in Deutschland ist der Ökostromanteil sehr klein. Warum?
Weil die Rahmenbedingungen für Erneuerbare im internationalen Vergleich aktuell nicht gut genug sind. Wir haben jetzt Anlagen mit einer Leistung von 1,5 Gigawatt in Deutschland, das ist deutlich weniger als bei Kohle und Gas. Wenn die Investitionsbedingungen vernünftig sind, würden wir liebend gerne in Deutschland in Erneuerbare und Speicher investieren. Den Markt kennen wir. Aber bis ein Windpark an Land ans Netz geht, vergehen hier derzeit fünf, sechs Jahre wegen Einsprüchen oder Klagen. Die Politik müsste die Genehmigungsverfahren beschleunigen, Bürokratie abbauen und das auf Bundes- und Landesebene, sonst kommen wir hier nicht weiter. Zumal wir ohnehin kaum noch Flächen finden bei den Abstandsregeln, die es in Deutschland gibt ... … und die in NRW durch die schwarz-gelbe Landesregierung noch verschärft wurden. Das ist woanders nicht viel besser. Man kann nicht Klimaschutz wollen, aber immer sagen: bitte nicht hier. Das gilt auch für den Bau der Stromautobahnen von Nord nach Süd. Die brauchen wir, wenn wir weitere Offshore-Windparks vor der Küste bauen wollen.
Die Klimaschutz-Ikone Greta Thunberg hat den Hambacher Forst besucht, ohne dass Sie es vorher wussten. Hätten Sie gerne mit ihr gesprochen? Nicht in diesem Rahmen und nicht in diesem Umfeld.
„Wir müssen jetzt konsequenter von fossilen auf erneuerbare Energien umsteigen.“
Und unter vier Augen, was würden Sie ihr sagen?
Unter vier Augen würde ich das natürlich tun. Ich würde ihr zuhören und versuchen, unsere Positionen anzunähern. Das geht, wenn man sich gegenseitig respektiert. Das tue ich.
Greta ist binnen Jahresfrist berühmt geworden und spaltet inzwischen die Gemüter. Wie denken Sie über Greta?
Ich finde es schon beeindruckend, welche Aufmerksamkeit sie in so kurzer Zeit erzielt hat. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass ihre Auftritte sehr vermarktet werden, und das finde ich schade.
Hat die Schülerbewegung Fridays for Future, die auch auf Ihrer Hauptversammlung sehr präsent war, Sie beeinflusst? Nein, in keiner Weise. Kritische Stimmen hat es auf unseren Hauptversammlungen immer gegeben. Und es stimmt ja auch: Es ist die uneffektivste Form der Energiegewinnung, Rohstoffe einfach zu verbrennen. Deshalb stand das Ziel nachhaltiger Stromerzeugung für mich immer mit ganz oben. Mein Blick auf den Klimawandel hat sich in den vergangenen Jahren tatsächlich verändert. Die Entwicklungen sind viel schneller gekommen, als ich vor zehn Jahren gedacht habe. Wir müssen jetzt konsequenter von fossilen auf erneuerbare Energien umsteigen. Genau das machen wir. Dafür steht die neue RWE.