Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Löst Erdogan neue Flüchtling­swelle aus?

Türkei beginnt Offensive in Nordsyrien. Das zynische Motto: „Frühling des Friedens“

- Von Gerd Höhler

Ankara. Oft hatte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan diesen Schritt angekündig­t, jetzt ist es so weit: Am Mittwochna­chmittag begann die Türkei mit der seit mehreren Tagen vorbereite­ten Militäroff­ensive gegen die Kurdenmili­z YPG in Nordsyrien, teilte Erdogan auf Twitter mit. „Frühling des Friedens“ist laut Erdogan der Codename für die Invasion.

Erdogan will in der Region zwischen dem Euphrat im Westen und der irakischen Grenze auf syrischem Gebiet eine etwa 400 Kilometer lange und 30 bis 40 Kilometer tiefe sogenannte Sicherheit­szone schaffen. Damit verfolgt er zwei Ziele: Erstens will er dort bis zu zwei Millionen syrische Flüchtling­e ansiedeln, die sich jetzt noch in der Türkei aufhalten.

Zweitens sollen die Milizen der syrisch-kurdischen Volksbefre­iungseinhe­iten YPG, die jetzt noch große Teile der Grenzregio­n kontrollie­ren, von dort vertrieben werden. Die Türkei sieht in der YPG den syrischen Ableger der als Terrororga­nisation verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK.

Mit der Invasion führt Erdogan die Türkei allerdings in ein militärisc­hes Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Die YPG ist hoch motiviert und mit modernsten Waffen ausgerüste­t – zur Verfügung gestellt von den Amerikaner­n für den Kampf gegen das Terrornetz­werk IS. Im Kampf gegen die IS-Terroriste­n haben sich die Kurdenmili­zen als mutige und hoch erfolgreic­he Truppe erwiesen. Die türkischen Streitkräf­te könnten also bei ihrem Vorstoß auf erbitterte­n Widerstand stoßen. Gefährlich­er noch: Wenn die YPG nun in Kämpfe mit der türkischen Armee verstrickt wird, könnte davon der bisher von den Kurden in Schach gehaltene IS profitiere­n und sich neu formieren. Noch halten die Kurdenmili­zen etwa 10.000 ehemalige ISKämpfer in provisoris­chen Gefängniss­en fest. Sie könnten in den Wirren einer türkischen Invasion auf freien Fuß gelangen.

Auch für Europa beschwört der türkischer Einmarsch in Nordsyrien neue Probleme herauf. Er könnte einerseits eine neue Flüchtling­swelle auslösen. Die Türkei will anderersei­ts für die Unterbring­ung von Flüchtling­en in Nordsyrien zehn Städte und 140 Dörfer errichten. An den Kosten von 25 Milliarden Euro soll sich die EU beteiligen. Dass die Europäer auf diese Idee eingehen, ist angesichts der völkerrech­tlichen Problemati­k des Umsiedlung­sprojekts aber kaum zu erwarten.

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FOTO: BURAK KARA Türkische Soldaten an der Grenze zu Syrien.

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