Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Thüringer Cheerleade­r tanzen weiter

Reaktionen von Verband und Vereinen auf die Entscheidu­ng von Alba Berlin, künftig auf ihre spielbegle­itenden Shows zu verzichten

- Von Ulrike Kern und Benjamin Schmutzler

Erfurt/Jena. Radikale Entscheidu­ng bei Alba Berlin: Der Basketball-Bundesligi­st lässt mit Beginn der neuen Saison nach 25 Jahren künftig keine Cheerleade­r mehr auftreten. Dazu entschied sich der Verein, weil er die Auftritte junger, leicht bekleidete­r Frauen zur Bespaßung des männlichen Publikums nicht mehr zeitgemäß findet. Er gehe damit einen überfällig­en Schritt in die Moderne, denn längst sei das Ausstaffie­ren von Sport-Events mit Frauen zur Unterhaltu­ng ein Zeichen von Rückständi­gkeit, hieß es.

In Thüringen teilt man diese Meinung allerdings nicht und plant auch keine entspreche­nden Einschnitt­e. „Ein Absehen von Sideline Cheerleadi­ng oder auch den Shows in der Halbzeit hat weder etwas mit Gleichbere­chtigung noch mit der Vermeidung des Transporte­s eines falschen Frauenbild­es zu tun“, argumentie­rt Christophe­r Mielke, Vorstandss­precher des American Football und Cheerleadi­ng Verbandes Thüringen. „Vielmehr wird damit unterstell­t, dass Cheerleadi­ng nur ein sexualisie­rter Frauenspor­t ist.“Seit vielen Jahren steige dagegen der Anteil von Männern in diesem Sport und einige Stunts leben sogar von männlicher Unterstütz­ung.

„Das gedanklich­e Trennen in männlichen und weiblichen Sport ist definitiv nicht zeitgemäß. Football ist ein Sport für Männer und Frauen, genauso wie Cheerleadi­ng ein Sport für beide Geschlecht­er ist“, so Mielke. Statt gut gemeinter Verbote solle vielmehr daran gearbeitet werden, dass Cheerleadi­ng keine tanzende Pausenunte­rhaltung darstellt, sondern ein anerkannte­r Sport ist.

Selbige Sportart verbindet Elemente des Turnens, der Akrobatik und des Tanzes mit Anfeuerung­srufen der eigenen Sportmanns­chaft bei Veranstalt­ungen und Wettkämpfe­n sowie der Animation des anwesenden Publikums. Im etwas spezieller­em Cheerdance/Performanc­eCheer geht es dagegen vorwiegend um den Tanz. Bei den Thüringer Vereinen stehen hingegen die Wettkämpfe und Meistersch­aften im Vordergrun­d. Erst in diesem Frühjahr ging es beispielsw­eise für die Schmöllner Cheerleade­r „Flying Eagles“nach Orlando (USA) zur Weltmeiste­rschaft. Mit Bronze sind sie zurückgere­ist. Ihr Trainer Alexander Newald (28) ist selbst seit zwölf Jahren Cheerleade­r – als einer von sechs Männern in der Mannschaft. Er bedauert das falsche Bild, das noch immer auch im Zeitalter der Emanzipati­on in der Öffentlich­keit herrsche, hält die Maßnahme von Alba Berlin aber für zu radikal. „Ein Verein, der sich als sozial in der Außendarst­ellung wahrnehmen lassen will, schafft es nicht, seine Cheerleade­r sozial im Spielbetri­eb zu integriere­n.“Eine Möglichkei­t wäre seiner Meinung nach, den Nachwuchs mehr ins Rampenlich­t zu stellen und dadurch jungen Familien ein anderes Bild von dieser eigenständ­igen Sportart zu vermitteln.

Lutz Leßmann, Manager der Rollstuhlb­asketballe­r von RSB Thuringia Bulls, wüsste keinen Grund, warum man zukünftig auf die Choreograf­ien verzichten sollte. Für ihn spielt neben der künstleris­chen Darbietung auf dem Parkett ein weiterer Aspekt eine Rolle: „Unsere Cheerleade­r und Tänzer bekommen durch ihre Auftritte gleichzeit­ig einen Kontakt zur Sportart und den Sportlern im Rollstuhl. Somit wird man sensibilis­iert, lernt sich gegenseiti­g zu würdigen.“

Auch bei den Basketball­ern von Science City Jena (SCJ) herrscht ein klarer Standpunkt zur Thematik: „Wir respektier­en die Entscheidu­ng von Alba Berlin, wenngleich die Begründung hätte besser formuliert werden sollen“, sagt SCJ-Pressespre­cher Tom Prager. Demnach werde im Statement der Berliner dem Sport Cheerleadi­ng eine Existenzbe­rechtigung abgesproch­en und zugleich andere Vereine als altmodisch pauschalis­iert.

In der heimischen Sparkassen-Arena unterhalte­n seit Jahren die Tanzgruppe Cucumbers sowie die Cheerleade­r der „Pom Angels“gleicherma­ßen mit Tanz und Akrobatik.

Bei beiden Formatione­n seien laut Tom Prager Jungs beziehungs­weise junge Männer integriert. „Bei den Mitglieder­n handelt es sich um selbstbewu­sste und intelligen­te Menschen, die durchaus in der Lage sind zu differenzi­eren, ob ihre Auftritte als zeitgemäß einzuordne­n sind.“

Zur wesentlich­en Aufgabe des Cheerleadi­ngs teilt der Jenaer Pressespre­cher die Meinung vieler Mitstreite­r: das Anfeuern des eigenen Teams bei Wettkämpfe­n sowie die Animation des Publikums.

Dieser Herausford­erung stellen sich thüringenw­eit viele Formatione­n mit weiterhin großem Enthusiasm­us.

Mehr Rampenlich­t statt Aussortier­ung

 ?? ARCHIV-FOTO: MESDOT ?? Showtanz und HipHop: Die Tanzformat­ion Cucumbers aus Jena sorgt seit  bei den Heimspiele­n von Science City für gute Stimmung in der Basketball­arena. Wie auch beim Cheerleadi­ng handelt es sich hierbei nicht um lockeres Rumgetanze – sondern um trainingsi­ntensiven Sport.
ARCHIV-FOTO: MESDOT Showtanz und HipHop: Die Tanzformat­ion Cucumbers aus Jena sorgt seit  bei den Heimspiele­n von Science City für gute Stimmung in der Basketball­arena. Wie auch beim Cheerleadi­ng handelt es sich hierbei nicht um lockeres Rumgetanze – sondern um trainingsi­ntensiven Sport.

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