Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Ein Stück Heimat im Kühlschrank
THC-Torfrau Marie Davidsen liebt Rømmegrøt, Braunkäse und zu gewinnen. Vor allem freut sie sich auf den EHF-Cup. Auswärtssieg in Neckarsulm
Erfurt. „Nordhausen?“Unter der nordthüringischen Kreisstadt kann sich Marie Davidsen rein überhaupt nichts vorstellen. Groß? Klein? Lebhaft? Beschaulich? Noch nie ist sie dort gewesen. Der Sonntag am Fuße des Südharzes aber wird sich ein bisschen wie norwegische Heimat anfühlen. Das rollende R um sie herum, das U wird gesprochen zum Ü, und die Hälfte der Gesichter kennt die THC-Torfrau ohnehin, wenn das Team von Byasen das Parkett der Wiedigsburghalle betritt. Zu gern würde sie diese „ärgern“wollen. Die Frage ist, ob sie darf.
Die THC-Trainer Herbert und Helfried Müller stehen auch vor dem Auftakt im EHF-Cup gegen das Trondheimer Team am Sonntag vor einer schweren Entscheidung. Geht Ann-Cathrin Giegerich von Beginn an ins Tor? Oder lassen sie Marie Davidsen halten? Vor ein paar Jahren schon ist die Entscheidung schwer gefallen, als beide mit Dinah Eckerle und Jana Krause zwei nahezu gleichstarke Torfrauen in ihren Reihen hatten. Nun aber sprechen die Trainer von zwei Nummer einsen.
„50:50“bestünde die Chance, am Sonntag im Tor zu stehen, orakelt Marie Davidsen. Genau dieser Ungewissheit gab sie dem Vorzug vor einem eher sicheren Platz im Kasten. Und das, ohne dafür lange überlegen zu müssen. Die Herausforderung, beim siebenmaligen deutschen Meister zu spielen. Das hohe Niveau innerhalb der Mannschaft. Die Chance, um Titel und vor allem international zu spielen: All das hat die Entscheidung im März zu einer Sekundensache werden lassen, als sie die Nachricht erhielt, dass der Thüringer HC sie gern in seine Mannschaft holen wollte. „Ich war bereit, etwas Neues zu probieren. Ich kannte alles nach sieben Jahren, beinahe jeden Wurf“, meint die 26Jährige mit Blick auf ihre Zeit beim Terntnes Handball Elite.
Die Mannschaft aus Bergen an der norwegischen Westküste ist ihre Heimat gewesen. Sie wuchs nicht weit von der zweitgrößten Stadt des Landes auf, spielte von zehn an bei den Nachwuchsvereinen und arbeitete sich über die Zweitliga-Einsätze Stück für Stück hoch bis in die erste Liga. Zwei, drei Spiele bestritt sie dann mit Terntnes pro Saison eben auch gegen jenes Byasen-Team, das am Sonntag in der zweiten Qualifikationsrunde des EHF-Cups Gegner sein wird.
Am Sonntag wollen die THCFrauen den Grundstein im Hinspiel des EHF-Cups legen, um in die dritte Runde einzuziehen. Herbert Müller schaut darüber hinaus. Er hofft auf die Gruppenphase im kommenden Jahr. Marie Davidsen wäre das nur recht. Nicht zuletzt deshalb ist sie zum THC gekommen.
Dass ihr Freund Øyvind mit nach Deutschland gekommen ist und hier als Physiotherapeut arbeiten kann, hat die Eingewöhnung zu einem Kinderspiel werden lassen. So viel anders sei ja Deutschland auch nicht, sagt die Handballerin. Die Familie vermisst sie allerdings ein wenig, und Rømmegrøt. Jenes aus saurer Sahne zubereitete traditionelle Brei-Gericht, das mit Zucker und Zimt oder auch auf deftige Art mit Schinken verfeinert wird, gehört dazu wie der Braunkäse. Ein Stück davon ist zumindest immer im Kühlschrank. Insofern ist das Zuhause nie so weit weg, wie es der Blick auf die Karte erscheinen lässt.
Am Mittwochabend gewannen die THC-Frauen das Punktspiel in Neckarsulm ungefährdet mit 40:21. Beste Werferin bei den Gästen war Nationalspielerin Alicia Stolle mit neun Toren.