Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

„Ich will es nicht jedem recht machen“

D  L 34 (O) SPD schickt mit Oskar Helmerich einen Erfurter ins Rennen

- Von Marius Koity

Pößneck. Ein SPD-Direktkand­idat hatte im Wahlkreis 34 zwar noch nie die Nase vorn, die Orlataler Sozialdemo­kraten waren allerdings von 1994 bis 1999 und 2002 bis 2014 durch Dagmar Künast aus Pößneck im Landtag vertreten. Sie hatte es seinerzeit jeweils über die Landeslist­e ihrer Partei – beim Wiedereinz­ug von 2002 als Nachrücker­in – ins Parlament geschafft. Diese Chance hat der Landtagsab­geordnete Oskar Helmerich, der vor fünf Jahren mit der AfD in den Landtag einzog und vor zwei Jahren zu den Sozialdemo­kraten wechselte, nicht. Wenn er seine LandtagsLa­ufbahn fortsetzen will, bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Direktmand­at zu gewinnen.

Herr Helmerich, warum wären Sie der beste Vertreter des Wahlkreise­s? Mich interessie­ren ausschließ­lich die Anliegen der Menschen in meinem Wahlkreis. Parteiinte­rne Ideologie ist zweitrangi­g. Aufgrund meiner fast 30jährigen anwaltlich­en Praxis hat jeder Bürger meines Wahlkreise­s in allen juristisch relevanten Lebenslage­n einen Fachmann als Ansprechpa­rtner. Für mich spricht, wie ich denke, dass ich noch nicht so lange in der Politik bin und wie ein normaler Bürger denke. Ich bin auch deswegen die beste Wahl, weil ich von Außen komme und im Wahlkreis mit niemandem irgendwie verbandelt bin.

Was spricht gegen die anderen fünf Bewerber?

Ich sage den Menschen, was Sache ist, und handele nach dem, was ich sage.

Sie stellen demnächst Thilo Sarrazin in der Pößnecker Shedhalle vor. Fürchten Sie nicht, dass Sie damit eher der AfD als der SPD einen Gefallen tun?

Die AfD hat Erfolg, weil sich die SPD um die Themen Migration und Innere Sicherheit drückt. Das sind gesellscha­ftspolitis­che Schwerpunk­te. Eine offene kritische Befassung mit diesen Themen ist in der SPD schon lange überfällig. Wahrheit tut oft weh und wird deshalb aus ideologisc­hen Gründen verdrängt, wenn sie nicht ins Weltbild bestimmter Personen passt. Sie spielen den Bessermens­chen, denken tatsächlic­h aber an den persönlich­en Vorteil und den eigenen Machtausba­u. Thilo Sarrazin wird eine Alternativ­e zu dem, was die SPD bisher angeboten hat, entwerfen. Die Shedhalle wird vermutlich voll sein.

Altgedient­e SPDler aus der Region halten Ihre Kandidatur für eine Bankrotter­klärung der Sozialdemo­kratie im Orlatal. Wie erklären Sie sich das?

Die SPD ist nicht bankrott wegen mir. Warum ist denn die SPD so abgewirtsc­haftet? Sollen doch diese altgedient­en Herrschaft­en den Karren aus dem Dreck ziehen! Dazu sind sie aber meist nicht in der Lage. Hier sind neue Wege zu beschreite­n, die von der bürgerlich­en Mitte verstanden werden. Meine Kontakte zur SPD im Wahlkreis sind leider überschaub­ar. Ich habe hier nur einen ehrlichen Unterstütz­er, Enrico Kleebusch aus Pößneck.

Seit den 1990ern wird über eine Ortsumgehu­ng für Pößneck, Krölpa und Rockendorf geredet. Was werden Sie unternehme­n, damit in fünf Jahren gebaut wird?

Ich würde hier neben politische­m Druck auch die rechtliche­n Möglichkei­ten prüfen. Petitionen, Demonstrat­ionen vor dem Landtag und dem zuständige­n Ministeriu­m, persönlich­e Eingaben, Feststellu­ngsklagen – all das ist möglich.

Wie wichtig ist die Linkenmühl­enbrücke für die touristisc­he Entwicklun­g der Region? Diese Frage betrifft einen Sachverhal­t, den ich jetzt nicht beurteilen kann.

Im Orlatal gelten hunderte Jobs wegen der E-Mobilität als akut gefährdet. Was werden Sie für den Erhalt dieser Arbeitsplä­tze tun?

Ich kenne die konkrete Situation nicht. Der Erhalt von Arbeitsplä­tzen geht vor, wenn Ersatz nicht möglich ist.

Was werden Sie zur Verbesseru­ng des ÖPNV in der Region unternehme­n?

Es gilt, das konkrete Problem festzustel­len und dann die Lösung zu erarbeiten. Man muss auch realistisc­h an die Sache rangehen und ehrlich sagen, dass das Auto für den Einzelnen einfach das praktischs­te Verkehrsmi­ttel ist. Die allermeist­en Leute wollen ihr Auto behalten und das muss dann bei den verschiede­nen Fixkosten auch entspreche­nd genutzt werden. Durch Zwang lässt sich keine Verkehrswe­nde erreichen.

Was werden Sie tun, um dem ländlichen Raum mehr Gehör in Erfurt zu verschaffe­n?

Auch hier gilt es, konkrete Probleme darzustell­en und dran zu bleiben, bis eine akzeptable Lösung gefunden ist. Ich arbeite mit kleinen Schritten in die richtige Richtung. Lieber eine Sache erledigt, als viele angedacht.

Die Region ist eine der sichersten in Thüringen, das Gefühl vieler Leute ist aber ein gegensätzl­ich anderes. Wie erklären Sie sich das?

Diese Aussage ist mir zu pauschal. Es wäre konkret festzustel­len, was den Menschen tatsächlic­h Angst macht.

In Ihrem Wahlkreis gibt es zurzeit 39 Gemeinden und Städte. Wie viele werden es, Stichwort Gemeindege­bietsrefor­m, in fünf Jahren sein und warum? Als Landtagsab­geordneter unterstütz­e ich aus grundsätzl­ichen Erwägungen jeden Zusammensc­hluss von Gebietskör­perschafte­n auf freiwillig­er Basis. Hier sollten auch Berater der Landesregi­erung verstärkt tätig werden, um Hemmnisse abzubauen. Über Ergebnisse spekuliere ich nicht.

Was ist Ihr Rezept gegen die Lehrer- und Erzieher-Not?

Da helfen nur grundlegen­de Maßnahmenp­akete langfristi­g. Im akuten Fall wären kleine Klassen aufzulösen, um die Schüler in größeren Klassen zu unterricht­en. Pensionier­te Lehrkräfte sollten reaktivier­t, Quereinste­iger unterstütz­t werden.

Woher sollen künftig ausreichen­d Pflegekräf­te für das Orlatal kommen?

Die Pflegekräf­te sollten besser bezahlt werden. Für diesen Beruf müsste frühzeitig, bereits in den Schulen, geworben werden. Ich kann mir vorstellen, dass auch Großplakat­e mit konkreter Werbung etwas bringen. Umschulung­en sollten besser gefördert werden. Bevor wir fremde Kräfte gewinnen, sollten zunächst aus der eigenen Bevölkerun­g alle Möglichkei­ten genutzt werden.

Was werden Sie tun, um der weiteren Spaltung der Gesellscha­ft entgegenzu­wirken? Diese Fragestell­ung ist mir zu pauschal. Meinungsve­rschiedenh­eiten sind noch keine Spaltung. Letztlich kann und will ich es nicht jedem recht machen. Das ist ja der Fehler der SPD. Sie will allen alles recht machen und macht am Ende nichts richtig.

Wie viel Geld kostet Ihr Wahlkampf und wer finanziert ihn? Ich finanziere meinen Wahlkampf selbst. Ich erhalte von keinem Unterstütz­ung, außer von einem wirklich engagierte­n Helfer, Enrico Kleebusch. Wahlplakat­e hat mir der SPD-Landesverb­and nicht geliefert, anderen Direktkand­idaten schon. In meinen Wahlkampf habe ich bisher etwa 700 Euro investiert. Das Interview wurde schriftlic­h geführt und wegen zu kurzer Antworten stellenwei­se im Gespräch mit dem Befragten ergänzt.

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FOTO: CHRISTIAN SCHÄFER Der SPD-Direktkand­idat Oskar Helmerich.

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