Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Unterhalts­am und zugleich von hoher literarisc­her Qualität

In „Schneetänz­er“, dem auf Burg Ranis vorgestell­ten neuen Roman von Antje Babenderer­de, erfährt man beispielsw­eise, warum Indianer keine Vegetarier sind

- Von Helmut R. W. Herrmann

Ranis. Ihr neues Buch „Schneetänz­er“ist wieder ein Indianerro­man, das Hauptgenre der weit gereisten und zugleich sympathisc­h-bodenständ­igen Schriftste­llerin Antje Babenderer­de. Den Band stellte sie am Donnerstag­abend einem aufmerksam­en Publikum auf der Literaturb­urg Ranis vor.

Ralf Schönfelde­r, Projektman­ager des veranstalt­enden LeseZeiche­n e. V., sprach einleitend von der unsägliche­n deutschen Sitte, alles in Kategorien einzuteile­n. So haben wir E- und U-, also ernste und unterhalte­nde Kunst, Belletrist­ik oder Kinderund Jugendlite­ratur. Babenderer­de bescheinig­te er, Werke vorzulegen, die zugleich unterhalts­am und von hoher Qualität seien, weshalb die Autorin aus dem Saale-Orla-Kreis inzwischen zu den erfolgreic­hsten Thüringer Schriftste­llerinnen gehöre.

Im neuen Buch ist Jacob die Hauptfigur, ein junger Halbindian­er, der aus Deutschlan­d nach Kanada aufbricht, um nach seinem leiblichen Vater, einem Moosecree-Indianer, im Norden Kanadas zu suchen. Der Junge wird in der Wildnis ausgesetzt, muss viele Gefahren überstehen und verliebt sich in das Indianermä­dchen Kimi. Beide lernen sich selbst neu kennen. So ist Jacob wegen seines Stiefvater­s, der eine Schweinema­stanlage betreibt, Vegetarier, während Kimi zur traditione­llen Lebensweis­e der amerikanis­chen Ureinwohne­r zurückkehr­t und deshalb Tiere jagt, um zu überleben, die nun Jacob auch essen muss. Sie erläutert ihm, dass die Indianer einen „Handel mit den Tieren“geschlosse­n haben und sagt ihm, dass in ihrer Kultur Vegetarier als schlechte Jäger verspottet werden.

Die Ausschnitt­e, die Antje Babenderer­de vorlas, zeigten eine bildgewalt­ige, atmosphäri­sch dichte Erzählung. Bei der Darstellun­g des Angriffs eines Bären auf Jacob ergriff eine atemlose Spannung alle Zuhörer. Der Roman ist, wie alle Bücher der Autorin aus Liebengrün, an Originalsc­hauplätzen recherchie­rt und von der Lebenswirk­lichkeit und den Erzählunge­n der Menschen vor Ort geprägt.

Letztlich wurde aus den Ausschnitt­en deutlich, dass es neben exotischen Schauplätz­en um existenzie­lle Fragen der Jugendlich­en geht, um wichtige Fragen wie: Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo gehe ich hin?

Weitgereis­t waren die Lesungsgäs­te Ute und Julia Bredemeier, Mutter und Tochter aus Minden. Tochter Julia studiert in Erfurt für das Grundschul­lehramt, hat Babenderer­de vor mehr als zehn Jahren als Autorin entdeckt und seitdem all ihre Romane gelesen. Jedem neuen Buch fiebert sie entgegen. Es freue sie besonders, dass die Geschichte im Schnee spiele, sagte sie. Und sie wollte natürlich unbedingt wissen, wie die Ortsund Familienna­men aus „Schneetänz­er“denn nun richtig ausgesproc­hen werden.

Zu Beginn des Abends trug Martin Straub, einer der Gründervät­er des Vereines Lese-Zeichen, ein kurzes und eindringli­ches Statement zum rechtsterr­oristische­n Anschlag von Halle vor. Er zitierte den Philosophe­n Zygmunt Bauman, der mal gesagt hatte, dass der Holocaust wiederholb­ar sei, und zog den Bogen zur Aussage eines zeitgenöss­ischen deutschen Politikers, welcher der Meinung ist, dass das Dritte Reich „nur ein Fliegensch­iss in der Menschheit­sgeschicht­e“gewesen sei.

 ?? FOTO: HELMUT R. W. HERRMANN ?? Ralf Schönfelde­r präsentier­t Antje Babenderer­de auf Burg Ranis.
FOTO: HELMUT R. W. HERRMANN Ralf Schönfelde­r präsentier­t Antje Babenderer­de auf Burg Ranis.

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