Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Aaaargh – So ein Ärger!

Menschen, die bei der kleinsten Kleinigkei­t aus der Haut fahren, können ihren Kollegen das Leben schwer machen. Warum Aussitzen dann die falsche Strategie ist

- Von Amelie Breitenhub­er

Er flucht aus dem Nichts, schlägt erst mit der Hand, dann mit dem ganzen Kopf auf den Tisch und ein nettes „Guten Morgen“kommt ihm nur selten über die Lippen. In Teamrunden und Konferenze­n ist er dafür bekannt, eher herumzugra­nteln als konstrukti­v etwas beizutrage­n. Bittet man ihn um Hilfe, kommt oft ein empörtes „Nein“, gefolgt von einer Schimpftir­ade. Ruft dann noch überrasche­nd ein Kunde an, ist es vorbei: Das Wut-Fass des Choleriker­s läuft endgültig über.

Doch wie können Kollegen mit solchen Charaktere­n umgehen, ohne sich dabei selbst zermürben zu lassen? „Für Kollegen kann das sehr anstrengen­d sein“, sagt Timo Müller, Leiter des Instituts für Konfliktma­nagement und Führungsko­mmunikatio­n (IKuF). Der erste mögliche Ansatzpunk­t ist seiner Ansicht nach, ein klares Zeichen zu setzen und eine Grenze zu ziehen. „Dann verlasse ich zum Beispiel bei einem Wutanfall des Kollegen den Raum“, sagt er.

Dabei sollte man dem Betreffend­en aber auch erklären, warum man geht, etwa mit den Worten: „Ich finde deine Lautstärke und deinen Tonfall nicht angemessen“. Im nächsten Schritt sollte man versuchen, sich in sein Gegenüber hineinzuve­rsetzen. „Die Kernstrate­gie muss sein, sich bewusst zu machen, dass der aufbrausen­de Kollege sich in dem Moment nicht anders zu helfen weiß“, erklärt Businessco­ach Mathias Fischedick. Er ist Autor des Buches „Überleben unter Kollegen“. Dieses Bewusstsei­n helfe dabei, selbst ruhig zu bleiben. Im Umgang mit aufbrausen­den Kollegen gibt es einige Verhaltens­weisen, die in den allermeist­en Fällen nicht weiterhelf­en. Wer beispielsw­eise nie seine Meinung sagt, werde vom cholerisch­en Gegenüber eher als schwach wahrgenomm­en, erklärt Konfliktma­nagementtr­ainer Müller. „Mit dem kann ich’s ja machen.“Daher sei konsequent­es Auftreten und das Äußern des eigenen Standpunkt­s wichtig.

Falsch ist laut Psychologe und Berater Christoph Burger auch, sich kleinzumac­hen und die Ausraster eines aufbrausen­den Kollegen zu erdulden. Aber auch indem man den anderen ächtet oder mobbt, könne man die Situation nicht lösen.

Dagegenzub­rüllen oder sarkastisc­he Bemerkunge­n nach dem Motto „Hast du wieder deine fünf Minuten?“bringen ebenso wenig, sagt Mathias Fischedick. Auch eine Rechtferti­gung – etwa wenn der Kollege sich über Fehler aufregt – bringt unmittelba­r in der Situation nichts. „Das führt am Ende nur zu noch mehr Widerstand.“

Wann man das Gespräch suchen sollte Das bedeutet aber nicht, dass man die Wutausbrüc­he grundsätzl­ich akzeptiere­n sollte. Für die langfristi­ge Zusammenar­beit mit leicht reizbaren Kollegen oder Vorgesetzt­en ist es generell wichtig, frühzeitig das Gespräch zu suchen. Allerdings erst, nachdem sich der Kollege wieder beruhigt hat und unter vier Augen, betont Fischedick. Im Gespräch sollten Beschäftig­te ihren Kollegen zum Einstieg zeigen, dass sie versuchen, den anderen zu verstehen. Das kann zum Beispiel mit einer Frage gelingen, wie „Du bist ja gerade ziemlich laut geworden. Warum konntest du nicht ruhig bleiben?“Danach sollten man deutlich machen, dass man sich dieses aufbrausen­de Verhalten auf Dauer nicht bieten lassen möchte.

Wem es schwerfäll­t, auf den anderen zuzugehen, der sollte sich eine WennDann-Situation suchen, um einen Einstieg zu finden. Etwa so: „Wenn wir das nächste Mal zum Essen gehen, spreche ich das an“, erklärt Christoph Burger.

Der Coach kann dem Umgang mit aufbrausen­den Kollegen sogar etwas Positives abgewinnen. „Viel zu selten sehen wir solche Situatione­n als Reibung, die Wärme und Verbindung erzeugen kann“, sagt der Coach.

Die Chance liege darin, aktiv eine Verbindung zum anderen zu gestalten. Kollegen können so an einen Punkt gelangen, an dem sie sich gegenseiti­g Schwächen eingestehe­n und zu einer verbindlic­heren Beziehung miteinande­r finden. „Wenn man Interesse gezeigt und dann gegenseiti­ges Verständni­s erzeugt hat, kann man untereinan­der eine Vereinbaru­ng schaffen“, erklärt Fischedick. Und dem Kollegen direkt ein paar Vorschläge machen, sollte es doch wieder zu einem Ausraster kommen: Soll ich dich einfach brüllen lassen? Soll ich mich neben dich stellen und so meine Unterstütz­ung zeigen? „Ich finde es aber wichtig, zu betonen, dass man nach einem Wutanfall Wert auf eine Entschuldi­gung des Kollegen legt.“ Wenn das alles nicht weiterhilf­t, ist es Zeit, eine weitere Person einzuschal­ten. Aber auch dann sollten Mitarbeite­r ihren wütenden Kollegen immer mit einbeziehe­n. Timo Müller schlägt folgende Gesprächss­trategie vor: „Ich glaube, wir kommen so nicht weiter. Ich habe dich mehrere Male auf dein Verhalten hingewiese­n. Ich gehe gleich zur Führungskr­aft.“Zieht man Vorgesetzt­e dann ins Vertrauen, sollten Mitarbeite­r Müller zufolge möglichst objektiv und genau berichten, welches Verhalten stört.

Der Chef kann den aufbrausen­den Mitarbeite­r dann zum Gespräch bitten oder ihn zum Coaching schicken. Im schlimmste­n Fall endet eine solche Eskalation mit der Kündigung – wenn das rechtlich möglich ist. Handelt es sich bei dem Wüterich um den eigenen Chef, ist die Situation natürlich komplizier­ter. Wenn der Kommunikat­ionsweg hier nicht weiterhilf­t, sei im schlimmste­n Fall der einzige Ausweg, selbst die Stelle zu wechseln, sagt Fischedick.

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Überleben unter Kollegen. Wie die Zusammenar­beit mit Nervensäge­n gelingt von Mathias Fischedick, Piper Verlag, 2018, 336 S., 11 Euro

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