Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Alles außer Hochdeutsch Alla
Was es mit Dialekten auf sich hat und warum wir sie weiter pflegen sollten Adjüüs
Deutschland, deine Dialekte: Je nach Region schnackt, quatscht, babbelt, oder ratscht man miteinander, überall haben die Menschen ihre eigene Art, den Dingen einen Namen zu geben. Was hat es mit den deutschen Dialekten auf sich und welche Rolle spielen sie heute noch?
1 Wissenswertes
Ursprünglich stammt das Wort „Dialekt“vom griechischen „diálektos“ab und lässt sich unter anderem mit „Redeweise“übersetzen. Dialekte gelten als eine Abwandlung des Standarddeutschen, also dem, was man umgangssprachlich auch „Hochdeutsch“nennt. Da werden Buchstaben einfach weggenuschelt, besonders weich oder hart ausgesprochen oder gar komplett andere oder eigene Wörter verwendet. Welche Mundart Menschen in bestimmten Regionen sprechen, unterscheidet sich gerade in Deutschland auffallend häufig. Sprachwissenschaftler haben die Dialekte in Deutschland in 20 Gruppen eingeteilt – lokale Unterscheidungen nicht mitgezählt. Allein in Thüringen spricht man sieben unterschiedliche Dialekte, die vom fränkischen (Suhl) bis zum obersächsischen (Mühlhausen) und Vogtländischen (Gera) reichen.
2 Dialekt wie aus dem Buch
Wie hätte es auch anders sein sollen: Schon in den großen Klassikern der deutschen Literatur kamen Protagonisten zu Wort, die Dialekt sprachen. Das sorgte etwa in Georg Büchners „Woyzeck“oder in Theodor Storms „Schimmelreiter“für besonders authentische und nahbare Dialoge. Ein Konzept, das auch heute gerne in Büchern aufgegriffen wird. Oder wie ließe sich sonst der immense Erfolg sogenannter Regionalkrimis erklären? Neben den Schauplätzen, die viele der Leser aus nächster Nähe kennen dürften, sorgen kauzige Provinzermittler mit typischem Mundschlag für Unterhaltung. Zum Beispiel Rita Falks Dorfpolizist „Franz Eberhofer“, der in Niederbayern auf Verbrecherjagd geht – natürlich nur, wenn er nicht gerade eine Leberkässemmel isst. Oder aber der tiefenentspannte Polizeiobermeister „Thies Detlefsen“aus der KrimiReihe von Krischan Koch, der in Nordfriesland ermittelt.
3 Dialekte im Fernsehen
Auch im allsonntäglichen Tatort wird immer wieder auf Mundart gesetzt. Man denke etwa an die Ermittlungen von Lannert und Bootz im Stuttgarter Tatort. Dialekt passt zum Konzept der erfolgreichen Krimiverfilmungen. Allerdings wird es problematisch, sobald nicht mehr jeder versteht, was gesagt wird. So bringt der Wiener Tatort regelmäßig einige Zuschauer an ihre sprachlichen Grenzen. Dass Mundart Spaß beim Zuhören macht, haben Unterhaltungskünstler schon lange erkannt. Hape Kerkeling schaffte es mit breitem rheinischem Dialekt und seiner Kunstfigur „Horst Schlämmer“sogar auf die Kinoleinwand.
4 Wie heißt es wo?
Es sorgt immer wieder für Belustigung und Verwirrung, dass das gleiche Wort in verschiedenen Ecken der Bundesrepublik etwas ganz anderes heißen kann. Das fällt im Alltag gerade bei Lebensmitteln auf. Während man in vielen Regionen eben mal „Brötchen“holen geht, kommen im hohen Norden gerne „Rundstücke“, in Bayern „Semmeln“oder „Weckla“auf den
Tisch. Die Berliner bleiben bei der „Schrippe“, die Österreicher sprechen indes von „Laibchen“.
Deutlich komplizierter wird es, sobald es um das Endstück des Brots geht: Da ist die Rede vom norddeutschen „Knust“oder „Kanten“, vom Thüringer „Fietze“oder „Kniestchen“, dem „Knäppchen“oder „Knabbel“in Nordrhein-Westfalen. Insgesamt gibt es über 200 Bezeichnungen für diesen scheinbar so elementaren Teil des Brotlaibs, die sich auch innerhalb eines Bundeslands stark unterscheiden können.
Auch Abschiedsfloskeln gibt es in Hülle und Fülle. In Bayern heißt es „Pfiat di“, im Norden„Adjüüs“und in Wien sagt man etwa „Baba“.
Dem gegenüber stehen Wortkreationen, die es nur im Dialekt gibt. Oder hätten Sie gewusst, wobei es sich bei einer Hornske (Hallisch für heruntergekommene Wohnung), einem Fluchtachterlich (Wienerisch für das letzte Glas Wein vor dem Aufbruch) oder einem Glump (Schweizerdeutsch, Schwäbisch und Bairisch für Produkt liederlicher Qualität) handelt? Diesen Wörtern widmeten die Autoren Sofia Blind und Nikolaus Heidelbach sogar einen Bildband.
5 Dem Dialekt verfallen
Vor etwa 50 Jahren hatten Menschen, die (starken) Dialekt sprachen, oft mit Vorurteilen zu kämpfen. Es wirke peinlich oder provinziell, sagten manche. Im Laufe der Jahre hat sich dieses Bild gewandelt. Heute, in Zeiten von Globalisierung und Grenzenlosigkeit, wächst die Sehnsucht nach dem vermeintlich Bodenständigen und Beschaulichen. Dialekte gelten als Kulturschätze, die Identität stiften und für Zusammenhalt sorgen. Ebenso wie die Mundart — sie ist daher wieder in aller Munde, sei es in der Politik, auf den T-Shirts und Jutebeuteln junger Hipster oder in der TV-Werbung.
Zudem spricht man sich auch an oberster Stelle für den Dialekt aus: Die Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft stellt auf ihrer Webseite klar, dass Dialekte zwar ihren eigenen Regeln folgen. Dennoch könne nicht von einem Sprachverfall des Hochdeutschen die Rede sein. Gleiches gelte übrigens auch für sogenanntes Kiezdeutsch und Jugendsprachen. Läuft!
„Beim Dialekt fängt die gesprochene Sprache erst an.“Christian Morgenstern, Dichter