Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Wohin mit dem Hunger?
Früher war alles anders, man wurde platziert. Die Speisekarten ähnelten sich wie ein Jägerschnitzel dem anderen. Rumpsteak „Strindberg“in Ei, Senf und Zwiebel galt als Gipfel der öffentlichen Kochkunst und an einen anderen Fisch als Forelle kann ich mich gar nicht erinnern. Höchstens an der Ostsee gab’s mal ne platte Flunder mit Kartoffelsalat.
Heute hat man die Qual der Wahl, die Anzahl der Restaurants ist schier unendlich, das merkt man besonders, wenn man in fremden Gefilden unterwegs ist. Wie sucht man nun das Richtige aus? Im Sommer ist das, wie ich finde, noch relativ einfach. Man kann so herrlich auf Terrassentischen die Gerichte inspizieren und sich so ein visuelles Urteil über Qualität und Schmackhaftigkeit bilden. Ich lese auch gerne den Auszug aus der Speisekarte im Schaukasten und suche nach Bekanntem, Neuem und nach spannenden Formulierungen, die mir den Mund wässrig machen sollen. Finde aber oft genug auch tote Spinnen und Fliegen darin. Spätestens dann kommt die berühmte Smartphone-Kontrolle, was denn so die anderen mitzuteilen hatten. Nicht, dass ich darauf übermäßig hören würde, aber selbst aus polarisierenden Kritiken kann man etwas über Stil und Stimmung hinter der Tür herauslesen.
Schön ist es natürlich, wenn man von den Einheimischen echte Tipps bekommt. Auch ich stehe den „lieb(st)en“Touristen bei uns mit Rat zur Seite … Da empfiehlt man ja auch nur das, wo man selbst gerne einkehrt. Die nicht ganz so lieben könnte man so natürlich auch mit der Kirche ums Dorf in die geschmackliche Wüste schicken. Mache ich natürlich nie, Ährenwort! Außerdem erkennt man es an den glänzenden Augen des Empfehlenden ob’s stimmt. Und ein leiser geflüsterter Ton samt Lippenlecken nach Satzende deuten auf einen echten Geheimtipp hin, den man auf gar keinen Fall unbesucht lassen sollte … Psst!