Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Koalitions­streit um Flüchtling­e

Konflikt belastet rot-rot-grüne Gespräche in Thüringen. Ramelow für Zuwanderun­gsressort

- Von Martin Debes

erfurt. Vor der Fortsetzun­g der Gespräche über die Bildung einer rotrot-grünen Landesregi­erung hat sich der Streit über die Flüchtling­spolitik verfestigt. So besteht die SPD nach Informatio­nen dieser Zeitung auf die schriftlic­he Verpflicht­ung der Partner, dass alle ausreisepf­lichtigen Migranten das Land verlassen müssen. Damit wird eigentlich nur die Rechtslage festgestel­lt. Dennoch lehnen Linke und Grüne die Formulieru­ng ab, die sich ähnlich in den Verträgen der KeniaKoali­tionen in Sachsen und Brandenbur­g findet.

Die Grünen pochen auf die Fortsetzun­g der bisherigen Linie. „Wir stehen für eine menschenre­chtsorient­ierte Migrations­politik“, sagte die Parlamenta­rische Fraktionsg­eschäftsfü­hrerin der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich. „Das hat uns bisher von allen anderen Landesregi­erungen unterschie­den und muss ein Kernmerkma­l unserer gemeinsame­n Politik bleiben.“

Auf der anderen Seite verlangen Linke und Grüne ein Sonderaufn­ahmeprogra­mm

für Flüchtling­e, das wiederum die SPD ablehnt. Dabei geht es unter anderem um die 50 Minderjähr­igen von der griechisch­en Insel Lesbos, deren Einreise der geschäftsf­ührende Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) ins Gespräch gebracht hatte.

Der amtierende Regierungs­chef will zudem die Zuständigk­eiten für Migration in einem der bestehende­n Ressorts bündeln. „Aus meiner Sicht brauchen wir ein Zuwanderun­gsminister­ium in Thüringen“, sagte er dieser Zeitung. „Damit meine ich ausdrückli­ch nicht nur die

Migration von Flüchtling­en, sondern vor allem die kontrollie­rte Zuwanderun­g von Fachkräfte­n, die wir dringend benötigen.“

Ramelow verwies dabei auf den Fachkräfte­bedarf, der bis zum Jahr 2025 auf 344.000 Stellen anwachsen soll. Schon jetzt basiere der Beschäftig­ungszuwach­s „vor allem auf Zuwanderun­g, darunter auch zu einem gewissen Teil von Flüchtling­en“, sagte er.

Ansonsten gibt es bei Rot-RotGrün vor allem Streit über die Zukunft des Verfassung­sschutzes, den die SPD gegen den Willen der Linken

personell aufstocken will, sowie innenpolit­ische Detailfrag­en wie Bodycams für Polizisten.

Zentraler strukturel­ler Konfliktpu­nkt, der aus Sicht mehrerer Beteiligte­r die Verhandlun­gen tatsächlic­h gefährden könnte, ist der Anspruch der Grünen auf die Zuständigk­eit für die Landwirtsc­haft. Die Abteilung soll nach ihrem Willen vom Infrastruk­turministe­rium zurück ins Umweltmini­sterium unter Anja Siegesmund (Grüne) wandern. Hier ist aber die Linke strikt dagegen und verweist auf massive Bedenken des Bauernverb­andes.

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