Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Koalitionsstreit um Flüchtlinge
Konflikt belastet rot-rot-grüne Gespräche in Thüringen. Ramelow für Zuwanderungsressort
erfurt. Vor der Fortsetzung der Gespräche über die Bildung einer rotrot-grünen Landesregierung hat sich der Streit über die Flüchtlingspolitik verfestigt. So besteht die SPD nach Informationen dieser Zeitung auf die schriftliche Verpflichtung der Partner, dass alle ausreisepflichtigen Migranten das Land verlassen müssen. Damit wird eigentlich nur die Rechtslage festgestellt. Dennoch lehnen Linke und Grüne die Formulierung ab, die sich ähnlich in den Verträgen der KeniaKoalitionen in Sachsen und Brandenburg findet.
Die Grünen pochen auf die Fortsetzung der bisherigen Linie. „Wir stehen für eine menschenrechtsorientierte Migrationspolitik“, sagte die Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich. „Das hat uns bisher von allen anderen Landesregierungen unterschieden und muss ein Kernmerkmal unserer gemeinsamen Politik bleiben.“
Auf der anderen Seite verlangen Linke und Grüne ein Sonderaufnahmeprogramm
für Flüchtlinge, das wiederum die SPD ablehnt. Dabei geht es unter anderem um die 50 Minderjährigen von der griechischen Insel Lesbos, deren Einreise der geschäftsführende Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ins Gespräch gebracht hatte.
Der amtierende Regierungschef will zudem die Zuständigkeiten für Migration in einem der bestehenden Ressorts bündeln. „Aus meiner Sicht brauchen wir ein Zuwanderungsministerium in Thüringen“, sagte er dieser Zeitung. „Damit meine ich ausdrücklich nicht nur die
Migration von Flüchtlingen, sondern vor allem die kontrollierte Zuwanderung von Fachkräften, die wir dringend benötigen.“
Ramelow verwies dabei auf den Fachkräftebedarf, der bis zum Jahr 2025 auf 344.000 Stellen anwachsen soll. Schon jetzt basiere der Beschäftigungszuwachs „vor allem auf Zuwanderung, darunter auch zu einem gewissen Teil von Flüchtlingen“, sagte er.
Ansonsten gibt es bei Rot-RotGrün vor allem Streit über die Zukunft des Verfassungsschutzes, den die SPD gegen den Willen der Linken
personell aufstocken will, sowie innenpolitische Detailfragen wie Bodycams für Polizisten.
Zentraler struktureller Konfliktpunkt, der aus Sicht mehrerer Beteiligter die Verhandlungen tatsächlich gefährden könnte, ist der Anspruch der Grünen auf die Zuständigkeit für die Landwirtschaft. Die Abteilung soll nach ihrem Willen vom Infrastrukturministerium zurück ins Umweltministerium unter Anja Siegesmund (Grüne) wandern. Hier ist aber die Linke strikt dagegen und verweist auf massive Bedenken des Bauernverbandes.