Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Aufruf zur Deeskalation
Droht jetzt ein großer Krieg im Nahen Osten? Die Tötung eines iranischen Generals durch die USA heizt die Lage gefährlich an. Antworten auf die wichtigsten Fragen
Berlin. Die Bundesregierung hat nach der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani durch einen gezielten US-Angriff in Bagdad zur Deeskalation aufgerufen. „Auch wir sehen die regionalen Aktivitäten des Iran mit großer Besorgnis“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin. „Wir sind an einem gefährlichen Eskalationspunkt, und es kommt jetzt darauf an, mit Besonnenheit und Zurückhaltung zu einer Deeskalation beizutragen.“
„Die Kriminellen erwartet eine schwere Rache.“Ali Chamenei, der oberste Führer des Irans, droht den Vereinigten Staaten mit Vergeltung,
„Er hätte vor vielen Jahren getötet werden sollen.“
US-Präsident Donald Trump
über den getöteten iranischen General Soleimani
Berlin. Die US-Armee hat den iranischen Topgeneral Ghassem Soleimani in der Nacht zum Freitag in Bagdad getötet. Der oberste iranische Führer, Ajatollah Ali Chamenei, hat „schwere Vergeltung“angedroht. Wie gefährlich ist die Eskalation für Europa und Deutschland?
Welche absicht verfolgt US-präsident trump mit dem Raketenangriff?
Nach der versuchten Erstürmung der US-Botschaft in Bagdad durch proiranische Demonstranten vor wenigen Tagen hatte Trump bereits gewarnt: Der Iran werde einen „hohen Preis“bezahlen. In der Logik des Präsidenten sollte die Tötung Soleimanis eine Botschaft der Abschreckung an Teheran sein. Am Freitag kündigten die USA an, 3000 bis 3500 zusätzliche Soldaten in den Nahen Osten zu entsenden. Elf Monate vor den US-Wahlen will der Chef des Weißen Hauses seinem heimischen Publikum Stärke demonstrieren – allerdings mit möglichst begrenztem Einsatz an Geld und Personal. Er hatte den Amerikanern versprochen, Schluss zu machen mit der Teilnahme an „endlosen Kriegen“in Nahost. Die US-Bevölkerung lehnt weitere Waffengänge ab.
Wie wahrscheinlich ist es, dass trump sein Ziel erreicht?
Der Präsident geht ein extrem ho
Risiko ein. Er heizt die ohnehin explosive Lage in der Region weiter an. Die Gefahr von offenen und verdeckten Militäraktionen – auch gegen amerikanische Soldaten – steigt. Gut möglich, dass sich der Chef des Weißen Hauses bei Vergeltungsaktionen des Irans oder von dessen Verbündeten gezwungen sieht, eine größere Zahl von USTruppen in den Nahen Osten zu entsenden. Dann wäre die Tötung Soleimanis kontraproduktiv gewesen. Eine weitere Eskalation könnte sich als nicht kontrollierbar erweisen.
Wie wird der Iran reagieren?
Wie in keiner Region der Welt gilt im Nahen Osten das Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Der oberste Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, hat bereits mit „schwerer Vergeltung“gedroht.
Am Freitag kam es in fast allen Teilen des Irans zu spontanen Kundgebungen gegen die USA. Medienangaben zufolge nahmen Hunderttausende an den Demonstrationen teil. Der Nationale Sicherheitsrat kam zusammen, um über Schritte gegen die USA zu entscheiden. Besonders die Generäle warnten die Vereinigten Staaten. „Das Weiße Haus kann jetzt schon für seine Truppen in der Region die Särge bestellen“, sagte Vizekommandeur Mohammed-Resas Naghdi. Im Irak sind derzeit rund 5000 US-Soldaten im Einsatz, die die die lokale Arnun mee im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) unterstützen. Die iranische Führung kalkuliert jedoch kühl. Sie rechnet damit, dass Trump wegen der Kriegsskepsis der Amerikaner kein Interesse an einer großen militärischen Konfrontation hat. Zu erwarten sind daher begrenzte regionale Militäraktionen des Irans oder von dessen Alliierten. Sehr wahrscheinlich sind Raketenangriffe durch schiitische Milizen auf US-Ziele im Irak, in Syrien oder in den Staaten am Persischen Golf.
kommt es jetzt zu einem großen krieg zwischen den USa und dem Iran?
Das ist zumindest nach derzeitigem Stand nicht sehr wahrscheinlich. Trump befürchtet, dass ein großer Krieg seine Chancen bei der Präsidentschaftswahl deutlich schmälern würde. „Wir haben gehandelt, um einen Krieg zu beenden“, sagte Trump. Auch Teheran dürfte an seiner Strategie der gezielten Nadelstiche – Tankerattacken, Angriffe auf saudi-arabische Ölanlagen – festhalten. Allerdings könnten die Angriffe zunehmen und heftiger werden.
Wie gefährlich ist die Lage für Israel?
Sehr gefährlich. Den Mullahs ist das „zionistische Regime“ein Dorn im Auge. Bei Kundgebungen in Teheran kommt es regelmäßig zu „Nieder mit Israel“- und „Nieder mit den USA“-Rufen. Die Regierung in Israel ist alarmiert über Waffenlieferungen vom Iran an die syrische Armee, die dann an die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon weitergeleitet würden. Schiitische Milizen hatten immer wieder Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert.
Was bedeutet die Eskalation für die Bundeswehrsoldaten im Irak?
Die Militärbasis Taji im Zentralirak, auf der auch 60 deutsche Soldaten stationiert sind, wurde in den vergangenen Monaten immer wieder mit Raketen angegriffen. Die Bundeswehr trainiert dort lokale Kräfte. Die Gefahr weiterer Attacken steigt
deutlich. Im nordirakischen Erbil bildet die Bundeswehr kurdische Peschmerga aus. Auch hier wird die Lage bedrohlicher.
kann Deutschland in den konflikt hineingezogen werden?
Mit der Tötung Soleimanis steigt das Risiko für alle Bundesbürger, die sich im Irak befinden. Das betrifft sowohl Bundeswehrsoldaten als auch Unternehmer und Diplomaten. Sollte der Konflikt dramatisch eskalieren und doch einen größeren US-Einsatz nach sich ziehen, ist eine militärische Beteiligung Deutschlands dennoch unwahrscheinlich. Allerdings: Sollte das Mullah-Regime seine Existenz gefährdet sehen, sind weltweite Terroranschläge nicht ausgeschlossen.
Die Bundesregierung rief zur Deeskalation auf. „Angesichts der jüngsten Entwicklung sehen wir die Gefahr einer Eskalation“, sagte Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer. Es komme nun darauf an, „mit Besonnenheit und Zurückhaltung zu einer Deeskalation beizutragen“. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte, die Bundesregierung teile zwar die Kritik der USA an der „destruktiven Politik des Irans“und habe den Angriff proiranischer Demonstranten auf die USBotschaft in Bagdad „scharf verurteilt“. Deutschland habe sich jedoch nicht der US-Politik des maximalen Drucks auf Teheran angeschlossen.