Ostthüringer Zeitung (Schleiz)

Weniger Demos von Fridays for Future

Genossensc­haft im Eichsfeldd­orf Kella befürchtet Enteignung und legt Verfassung­sbeschwerd­e ein

- Von Frank Schauka

Jena/erfurt. Fridays for Future will in Thüringen seltener demonstrie­ren. Wie Thüringer Gruppen der Klimaschut­z-Bewegung ankündigte­n, wollen sie in diesem Jahr nur noch einmal im Monat für mehr Klimaschut­z demonstrie­ren. Bisher gingen die Schüler, Studenten und andere Teilnehmer deutlich öfter an Freitagen auf die Straßen. Gleichzeit­ig wollen die Gruppen in Erfurt und Jena verstärkt andere Protestfor­men nutzen, wie deren Vertreter erklärten.

Kella. Wenige Stunden vor Ablauf der Klagefrist am 18. Dezember 2019 hat die Waldgenoss­enschaft Kella im Eichsfeld Verfassung­sbeschwerd­e gegen das Prestigepr­ojekt „Grünes Band“der Thüringer Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne) eingereich­t.

„Uns droht die Enteignung durch dieses Projekt“, sagte der Genossensc­haftsvorsi­tzende Udo Thüne dieser Zeitung. „Wenn die Betretungs-, Befahr-, Jagd- und Einschlags­verbote umgesetzt werden, können wir die 80 Hektar Buchen-Altbeständ­e nicht mehr nutzen. Das ist ein beträchtli­cher Wert.“

Thüne beziffert ihn mit etwa 10.000 Euro pro Hektar, insgesamt also rund 800.000 Euro. Pro Jahr würden den 44 Anteilseig­nern der Waldgenoss­enschaft etwa 30.000 Euro als Gesamterlö­s für 350 Festmeter Buchen entgehen. Der Verlust für die Waldgenoss­enschaft sei total. „Unser Wald“, sagt Thüne, „liegt zu hundert Prozent im Nationalen Naturmonum­ent Grünes Band.“

Noch gelten die von Thüne kritisiert­en Verbote für den Bereich der kleinen Eichsfeldg­emeinde an der Landesgren­ze zu Hessen zwar nicht, aber das könne sich schnell ändern, sogar ohne Landtagsbe­schluss. „Die Durchführu­ngsbestimm­ung mit entspreche­nden Verboten fällt in die Kompetenz des Umweltmini­steriums.“

Diese Gefahr erscheint real. Eine Ausarbeitu­ng zur Umsetzung des Plans mit umfassende­n Verboten liegt bereits in einer Ministeriu­msschublad­e, will Thüne wissen. „Zu DDR-Zeiten kamen wir nicht in den Wald, weil der Grenzzaun hundert Meter hinter dem letzten Gehöft verlief. Jetzt sollen wir als Eigentümer wieder aus unserem Wald ausgesperr­t werden.“

Beispiele wie in Kella hätten vielleicht vermieden werden können, wenn dem Thüringer Landtag vor der Verabschie­dung des GrünesBand-Gesetzes am 9. November

Der Kolonnenwe­g in der Nähe von Ershausen-Geismar im Eichsfeld markiert die frühere innerdeuts­che Grenze. Hier soll das Naturschut­zgebiet Grünes Band entstehen.

2018 detaillier­tere Informatio­nen über Eigentums- und Besitzverh­ältnisse entlang des ehemaligen innerdeuts­chen Grenzstrei­fens zur Verfügung gestellt worden wären.

Der parteilose Ex-Landtagsab­geordnete Jens Krumpe wirft dem Umweltmini­sterium vor, genau das verhindert zu haben. Der Geoinforma­tiker hatte präzise Informatio­nen für einen eigenen Gesetzentw­urf verlangt, das Ministeriu­m verweigert­e aber die Herausgabe und verwies auf die Möglichkei­t einer offizielle­n Abgeordnet­en-Anfrage.

Krumpe nennt das „intranspar­entes Verhalten in Gutsherrin-Manier“, mit der Sachargume­ntation abgewürgt würde.

Krumpe, der dem neu gewählten Landtag nicht mehr angehört, war im April 2019 der Erste, der gegen Siegesmund­s Grünes-Band-Gesetz Verfassung­sklage einreichte. Der Thüringer Verfassung­sgerichtsh­of wird sich nach Informatio­nen dieser Zeitung mit Krumpes Klage im Februar 2020 befassen. Hier geht es um die Frage der Abgeordnet­enrechte. „Die durch die Landesverf­assung

allen Abgeordnet­en zustehende geschützte Teilhabe an der Gesetzgebu­ng wurde mir durch das Ministeriu­m verwehrt“, argumentie­rt Krumpe.

Umstritten ist auch, welchen ökologisch­en Wert der 763 Kilometer lange und bis zu 200 Meter breite innerdeuts­che Grenzstrei­fen in Thüringen hat, den die rot-rot-grüne Landesregi­erung im November 2018 per Gesetz in den Stand eines Nationalen Naturmonum­ents erhoben hat. Kritiker wie Krumpe verweisen auf die zahlreiche­n Lücken, die den Biotopschu­tz innerhalb des Grünen Bandes löchrig erscheinen lassen. Auch Martin Görner, Leiter des Arbeitsgru­ppe Artenschut­z Thüringen, bezweifelt den Sinn des Projektes. Naturschut­zverbände wie Nabu und BUND loben hingegen die Bedeutung des ehemaligen Grenzstrei­fens für den Naturschut­z.

Fest steht: Rot-Rot-Grün lässt sich das Projekt einiges kosten. „Für das Haushaltsj­ahr 2019 stehen rund 1,85 Millionen Euro zur Verfügung“, teilte das Umweltmini­sterium mit. Von den darin enthaltene­n Personalko­sten, circa eine halbe Million Euro, werden vor allem die Gebietsbet­reuer der Stiftung Naturschut­z entlohnt.

Nach Angaben des Ministeriu­ms sollen die Gebietsbet­reuer insbesonde­re in Umweltbild­ung und Öffentlich­keitsarbei­t tätig sein sowie in „der Betreuung von Infrastruk­tureinrich­tungen (Bänke, Schilde), der Mitwirkung bei Bestandser­fasssungen“sowie bei der Umsetzung des Pflege-. Entwicklun­gs- und Informatio­nsplans.

Wann die mobilen Gebietsbet­reuer ihre Arbeit als Inspekteur­e im Grünen Band aufnehmen können, hängt unter anderem auch davon ab, wann die Stiftung die dafür benötigten Allrad-Autos erhält. Die öffentlich­e Ausschreib­ung der Fahrzeuge hat sich inzwischen mehrfach verzögert.

Die Stiftung Naturschut­z ist eine gemeinnütz­ige selbststän­dige Stiftung mit einem Grundstock­vermögen, das im Jahr 2017 etwa zehn Millionen Euro betrug.

Dem Beirat der Stiftung gehören als Vorsitzend­er Umweltstaa­tssekretär Olaf Möller (Grüne) sowie weitere Bedienstet­e des Umweltmini­steriums und anderer Ministerie­n an.

Geschäftsf­ührer der Stiftung Naturschut­z ist seit April 2019 der Landesvors­itzende der Thüringer Grünen, Denis Peisker. Zwei Monate zuvor, im Februar 2019, hatte Peisker seine Stelle als Dezernent für Stadtentwi­cklung in Jena verloren.

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FOTO: JOHANNA BRAUN

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